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Klaus Neitmann, Direktor des Landeshauptarchivs in Potsdam, zeigt vorsichtig die Kopie der zweiten urkundlichen Erwähnung der Stadt Werder (Havel).

© S. Gabsch

Werder (Havel): 700 Jahre dank Woldemar

Im Jahr 1317 wurde die Stadt Werder erstmals schriftlich erwähnt. Während das Original als verschollen gilt, lagert in Potsdam noch eine wertvolle Kopie. Anlässlich des Stadtjubiläums wurde sie aus dem Archiv geholt.

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Werder (Havel) - Vorsicht ist angesagt, wenn man mit jahrhundertealten Dokumenten umgeht. Sie sind kostbar und einmalig. Durch einen einzigen unüberlegten Handgriff können irreparable Schäden entstehen. So warnte denn auch Klaus Neitmann, Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, am gestrigen Mittwoch bei der Vorstellung der Gründungsurkunden von Werder etwas scherzhaft vor dem allzu sorglosen Umgang mit dem hierzulande wohl beliebtesten Heißgetränk: „Kaffeefleck – frühes 21. Jahrhundert“ könne es womöglich später heißen, wenn jetzt aus Unachtsamkeit etwas auf die Urkunden verschüttet werde.

Neitmann stellte am noch jungen Sitz seines Archivs in Potsdam-Golm vor Pressevertretern jene beiden Urkunden vor, auf die sich Werder beruft, wenn in diesem Jahr die Jubelfeiern zum 700. Geburtstag der Blütenstadt über die Bühne gehen werden. Seit zwei bis drei Jahren arbeite man auf das Stadtjubiläum hin, sagte Werders Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU), die am Mittwoch ebenfalls zur Präsentation der Urkunden ins Landeshauptarchiv gekommen war. Zwei Papiere also, die heute, 700 Jahre später, einen monatelangen Festmarathon auslösen. Doch genau genommen ist diese Feststellung historisch nicht ganz korrekt. Denn: Die Urkunden von 1317 sind gar keine Papiere, sondern Pergamente. Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts habe man im nordalpinen Raum Papier zum Beschreiben verwendet, berichtete Neitmann.

Kopie stammt aus dem 15. Jahrhundert

Und wer am Mittwoch hoffte, die originalen, auf Pergament geschriebenen „Geburtsurkunden“ von Werder betrachten zu können, den musste Neitmann enttäuschen. Denn die Originale sind verloren gegangen. Heute müssen wir uns mit einer notariellen Abschrift der einen Urkunde sowie mit der in einem sogenannten Kopialbuch enthaltenen deutschen Übersetzung der anderen, ursprünglich in Latein geschriebenen Urkunde begnügen. Doch auch diese Dokumente tragen gleichsam die Patina von Jahrhunderten. Sie sind ihrerseits älter als alles Schriftgut der in diesen Tagen landauf und landab so viel gefeierten Reformation. Denn sowohl die notarielle Abschrift als auch das Kopialbuch stammen Neitmann zufolge bereits aus dem 15. Jahrhundert.

Die beiden historischen Dokumente handeln von Erwerbungen des Klosters Lehnin. Mit der älteren der beiden Urkunden – sie stammt vom 5. April 1317 – übertrug Markgraf Woldemar von Brandenburg mehrere Havelgewässer von Potsdam über Caputh und Werder bis Marquardt und Paretz an die Lehniner Mönche. In jenem Schriftstück wird Werder erstmals urkundlich erwähnt. Das Zisterzienserkloster wollte sich mit diesem Erwerb großer Wasserflächen offenkundig den auch damals schon reglementierten Fischfang sichern, so Neitmann. Nicht jeder durfte einfach seine Angel ins Wasser halten und nach Herzenslust (und Geschick) einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser ziehen, um ihn dann womöglich auch noch auf dem Markt zu verkaufen. Mit den erworbenen Fischereirechten sicherte sich das Kloster die eigene Versorgung mit Fisch. Was die Mönche nicht selbst verbrauchen konnten, wurde verkauft.

Fischer in Werder mussten Fischzoll an die Lehniner Mönche zahlen

Spätestens mit der Erwerbung Werders durch das Kloster Lehnin – ebenfalls im Jahre 1317 – mussten die Fischer in Werder an die Lehniner Mönche Fischzoll zahlen, wenn sie ihren Fang auf dem Markt verkaufen wollten. Jener Erwerb Werders durch die Mönche ist in der nur wenige Monate jüngeren der beiden „Geburtsurkunden“ Werders dokumentiert. Markgraf Woldemar von Brandenburg bekundet in dem Schriftstück vom 26. August 1317, dass sein Truchsess Sloteko dem Abt und den Mönchen des Klosters Lehnin den Flecken Werder verkauft habe.

Ein Truchsess war ein Aufseher über die Tafel am Hofe. Sloteko habe aber keineswegs den Tisch von Markgraf Woldemar decken müssen, wie Neitmann erläuterte. Vielmehr sei dieses Amt ein repräsentatives Ehrenamt gewesen. Sloteko gehörte als Ratsherr sozusagen zum Kabinett seines aus dem Geschlecht der Askanier stammenden Landesherrn.

243 Mark Brandenburgisches Silber für Werder

Der Kaufpreis, den die Mönche für Werder zahlen mussten, betrug etwas mehr als 243 Mark Brandenburgischen Silbers. Dies war damals mit Sicherheit viel Geld. Eine Umrechnung in Euro sei aber nicht sinnvoll möglich, sagte Neitmann. „Das ist Humbug“, bescheinigte der Historiker derartigen Umrechnungsversuchen. Mit dem Ankauf durch das Kloster Lehnin unterstanden die Werderaner direkt dem Lehniner Abt und nur noch mittelbar dem Markgrafen. Bis zur Auflösung des Klosters Mitte des 16. Jahrhunderts habe Werder den Lehniner Zisterziensern gehört, so Neitmann.

Wann nun genau die beiden Originalurkunden von 1317 verloren gegangen sind, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Die heute noch vorhandene notariell beglaubigte Abschrift der Urkunde vom 5. April 1317, in der es um den Erwerb von Gewässern geht, stammt aus dem Jahre 1443. Warum sie damals angefertigt wurde, ist nicht bekannt. Die andere Urkunde vom 26. August 1317, mit der die Mönche Werder aufkauften, ist heute nur als deutsche Übersetzung abschriftlich in dem sogenannten Kopialbuch enthalten, das die Mönche ab 1420 anlegten. In diesem Buch sammelten sie die Texte von Urkunden. Außerdem führten sie darin aus, wie sie im Falle von Rechtsstreitigkeiten, etwa mit benachbarten Landeigentümern, vor Gericht argumentieren könnten. Über die Zollerhebung in Werder führten die Mönche tatsächlich einmal einen Rechtsstreit mit der Neustadt Brandenburg.

Eine notariell beglaubigte Abschrift der Urkunde vom 26. August 1317 befand sich Neitmann zufolge noch bis zum Zweiten Weltkrieg im Geheimen Staatsarchiv in Berlin. Doch dann wurden die Bestände während des Krieges in zwei Salzbergwerke südlich von Magdeburg ausgelagert. Seit diesen Kriegswirren ist jenes historische notarielle Schriftstück verschwunden. Die beiden heute noch vorhandenen Dokumente, die Neitmann am Mittwoch präsentierte, gehörten bis zum Kriegsende ebenfalls zum Bestand des Geheimen Staatsarchivs in Berlin und wurden um 1950 in den Bestand des Brandenburgischen Landeshauptarchivs überführt.

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