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Potsdam-Mittelmark: Aggressiv trotz Perspektiven In Michendorf soll Gewalt gegen Andere tabu sein

Michendorf - Zwei Vorfälle in jüngster Vergangenheit beschäftigen die Michendorfer nach wie vor: Der nächtliche Überfall auf das Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“ im Januar und der Übergriff auf einen schwarzen Potsdamer am Ostersonntag in der Landeshauptstadt – denn einer der Tatverdächtigen stammt aus Wilhelmshorst (PNN berichteten). „Das ist hier eben so“, hätten einige Bürger auf die Frage nach den Ursachen dieser Gewaltbereitschaft geantwortet, so Matthias Engst, Sprecher der Bürgerinitiative „Wilhelmshorster Tisch“.

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Michendorf - Zwei Vorfälle in jüngster Vergangenheit beschäftigen die Michendorfer nach wie vor: Der nächtliche Überfall auf das Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“ im Januar und der Übergriff auf einen schwarzen Potsdamer am Ostersonntag in der Landeshauptstadt – denn einer der Tatverdächtigen stammt aus Wilhelmshorst (PNN berichteten). „Das ist hier eben so“, hätten einige Bürger auf die Frage nach den Ursachen dieser Gewaltbereitschaft geantwortet, so Matthias Engst, Sprecher der Bürgerinitiative „Wilhelmshorster Tisch“.

Antworten erhofften sich die Mitglieder in einer Diskussionsrunde zum Thema „Gewalt gegen Andere und Andersdenkende“ am Donnerstagabend im Gemeindezentrum. Zu Gast war der ehemalige Präsident der Freien Universität Berlin, Johann Gerlach. Auf das Phänomen des „Andersseins“ gebe es zwei mögliche Reaktionen, sagte er: Neugier oder Angst. Letztere sei ein typisch deutsches Phänomen, in Frankreich oder Großbritannien würden Bürger mit Migrationshintergrund viel offener wahrgenommen.

Die gängigste Erklärung dafür, wenn diese Angst in Gewalt umschlägt, verwarf Gerlach sofort: „Perspektivlosigkeit kann nicht der alleinige Grund für Gewalt gegen andere sein.“ Gerlach begründete diese Auffassung mit seinen Eindrücken, die er auf Reisen in ärmere Länder gemacht hat – dort sei ihm als Ausländer keine Gewalt entgegen geschlagen.

Und Perspektiven gibt es in Michendorf durchaus: Bürgermeisterin Cornelia Jung verwies auf eine Arbeitslosenquote von höchstens 4,5 Prozent, auf zahlreiche Ausbildungsbetriebe und nicht zuletzt auf die vielseitige Jugendarbeit – Michendorf hat zwei Jugendclubs, vier Jugendzentren und zwei Sozialarbeiter. Wo liegen die Ursachen dann? Um das herauszufinden will sich die Gemeinde um das Modellprojekt „Wir kümmern uns selbst“ bewerben. Das Bundesfamilienministerum wird demnach sechs Kommunen auswählen, die mit fachmännischer Unterstützung selbst Konzepte gegen Gewalt ausarbeiten.

Hendrik Reinkensmeier, Leiter des Michendorfer Wolkenberg-Gymnasiums warnte indes davor, eine „Landkarte mit Angsträumen“ zu schaffen. „So wenig Gewalt wie an unserer Schule habe ich im Sozialismus nicht gesehen“, räumte er ein. Aggressionen sind hier nicht die Regel, darin war man sich einig. Doch wie soll man mit latenten Gewalttätern umgehen - sie ignorieren? Andreas Jentzsch, einst Gemeindevertreter in Wilhelmshorst, hielt das für den falschen Ansatz: Taten und Täter sollten in der Öffentlichkeit benannt werden.

Landtagsabgeordneter Andreas Bernig (PDS) forderte: „Gewalt muss tabuisiert werden.“ Dabei unterschied er zwischen Antreibern und Angetriebenen - letztere müssten zurück in die Gesellschaft. Johann Gerlach unterstrich den Stellenwert von Erziehung: Kindern müsse früh vermittelt werden, dass ein Miteinander ohne Gewalt möglich ist. „Man muss genau sagen, was geht - und was nicht geht.“

Und während Birgit Fechner, Mitglied der DVU-Fraktion im Landtag, gegen den Einfluss der Medien wetterte, sahen die Michendorfer die Notwendigkeit, enger zusammen zu rücken und mehr auf den Nachwuchs zu achten. „Eltern haben die Pflicht, auch mal auf die Bremse zu treten“, so Rektor Reinkensmeier, und dazu gehöre auch, dass 16-Jährige nicht nachts ohne Aufsicht feiern dürfen. Ein erster wichtiger Schritt wurde laut Gerlach bereits an diesem Abend unternommen: „Es ist großartig, wenn man schon über dieses Thema spricht.“ Thomas Lähns

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