
© A. Klaer
Potsdam-Mittelmark: Alle müssen raus
Aus für Musikschule, Tanzfabrik und MädchenZukunftsWerkstatt im TechnoTerrain
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Teltow - Die Hiobsbotschaft kam mit der Post: Mehr als ein Dutzend Mietern des Gewerbeparks Techno Terrain in Teltow flatterte Ende September die Kündigung ins Haus. Überraschend müssen sie bis zum Jahresende das Grundstück in der Oderstraße 34-36 verlassen und sich kurzfristig eine neue Bleibe suchen. Darunter Bauunternehmen, die Schuppen und Baracken teilweise nutzten, um Material zu lagern, aber auch Musikschule, Tanzfabrik und MädchenZukunftsWerkstatt. Der Grund: Die Ernst-Wisser TechnoTerrainTeltow GbR, die die Immobilien verwaltet, kann den über Jahre entstandenen Sanierungsstau nicht abarbeiten. Dafür fehle einerseits das Geld, andererseits sei das Risiko einer Weiternutzung für Mieter und Verwalter zu hoch geworden, erklärte Petra Schulze, Geschäftsführerin der Techno Terrain Teltow (TTT), den PNN.
Die Ernst-Wisser Techno Terrain Teltow GbR ist Entwicklerin des mit 600 000 Quadratmetern größten innerstädtischen Gewerbeparks in Brandenburg, der nach der Wende sukzessive auf dem größtenteils zum VEB Geräte- und Reglerwerke Teltow gehörigen Gelände entstand. Das nun leerzuziehende Grundstück an der Oderstraße ist eines der letzten, das der TTT nicht selbst gehört. Im Zuge der Restitutionsverfahren war es im Jahr 2006 an jüdische Alteigentümer rückübertragen worden. Die TTT GbR, die bis dahin die Immobilien auf dem Areal treuhänderisch verwaltete, habe ihre Arbeit nach der Rückübertragung quasi zwangsweise fortgeführt, da sich der Eigentümer nicht um seinen Besitz gekümmert habe, so Schulze. Doch jetzt sei ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergehe. „Die Gebäude sind baufällig, Elektrik und Heizung ein weiteres großes Problem“, sagte die TTT-Geschäftsführerin. Mit den geringen Mieteinnahmen, die das Unternehmen vor Ort erziele, seien die notwendigen Reparaturen und Sanierungen nicht zu bezahlen. Hier seien die Erben in der Verantwortung, so Schulze. Allerdings würden diese in den USA und teilweise in Südamerika leben. Für die TTT sei die Kündigung der elf Gewerbemieter und dreier Wohnparteien dennoch ohne Alternative. „Wenn etwas passiert, haften wir“, wirbt Schulze um Verständnis.
Vor der Wende war auf dem rund 13 000 Quadratmeter großen Grundstück der VEB Baureparaturen Teltow ansässig, später die Teltower BAUTEL. Die Gebäude resultieren weitestgehend noch aus dieser Zeit. Während Neumietern nur noch Jahresverträge angeboten worden seien, wurden andere Mieter von der Kündigung überrollt.
Seit 2002 ist etwa die MädchenZukunftsWerkstatt (MZW) vor Ort untergebracht. Optimal waren die Bedingungen in der Baracke schon lange nicht mehr. „Die Fenster sind nicht dicht, die Isolierung schlecht, es regnet durchs Dach“, sagte die MZW-Leiterin Sonja Roque. Schon seit einiger Zeit sucht die MZW neue Räume, wurde mit Unterstützung der Teltower Wohnungsbaugenossenschaft (TWG) inzwischen auch fündig. In der ehemaligen Schlecker-Filiale in der Käthe-Niederkirchner-Straße wird die MZW vermutlich ein neues Domizil erhalten. Dennoch stellt die plötzliche Kündigung die Frauen und Mädchen vor Probleme. Rechtzeitig wird die MZW ihre Räume nicht beziehen können. Die ehemalige Drogerie muss umgebaut und an die Bedürfnisse der MZW angepasst werden. Zudem müssen die Stadtverordneten noch einem höheren Betriebs- und Sachkostenzuschuss von 5400 Euro zustimmen. Denn das von Land und Kreis anteilig finanzierte Förderprojekt wird durch die Stadt mitfinanziert. Den offenen Mädchentreff werde die MZW vorübergehend schließen müssen, so Roque.
Einigen Mietern konnte die TTT inzwischen alternative Räume im Gewerbepark anbieten, andere suchen noch. Für Mandy Ebert, Mitinhaberin der Tanzfabrik, ist der Rausschmiss doppelt schlimm. Erst vor wenigen Wochen seien die Räume in der alten Lagerhalle umgebaut und rund 15 000 Euro investiert worden. Alles umsonst. Der Tanzkurs, der noch bis Ende des Monats stattfindet, wird vorerst der letzte sein.
In zwei Jahren wollte auch Helge Niederle mit der Musikschule „The! Music School“ ins benachbarte Fabrikgebäude am Möbel-Boss-Markt umziehen. Jetzt muss er nach einer Zwischenlösung suchen, der Umzug werde teurer. Über 200 Schüler erhalten in der Musikschule derzeit Unterricht, die Schule verzeichne starken Zulauf. Nun bestehe die Gefahr, dass hier „eine wichtige Institution mit seiner einzigartigen Bildungskonzeption an die Wand gefahren werde“, so Niederle. Die Mieter hätten angeboten, eine GbR zu gründen und die Gebäude selbst zu verwalten. Die TTT lehnte das ab.
Gerüchte, wonach auf dem Areal künftig Flüchtlinge untergebracht werden könnten, dementiert Schulze. „ Das ist völliger Quatsch und wäre auch nicht zu verantworten.“ Laut Bebauungsplan können die Flächen derzeit nur gewerblich genutzt werden. Nutzungsänderungsanträge oder Bauanträge lägen der Stadt derzeit nicht vor, sagte Stadtsprecherin Andrea Neumann den PNN. Der in Kürze stillgelegten Liegenschaft droht nunmehr der weitere Verfall.
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