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KulTOUR: Alles Landschaft, alles Idylle Ausstellung über „Schlesische Herrenhäuser“ im Schloss Caputh

Schwielowsee - Diese Ausstellung wird man weder in Berlin noch in Potsdam zu sehen bekommen! Wer sich also über die mehr als fünfzig schlesischen Schlösser und Herrenhäuser informieren möchte, muss sich schon nach Caputh bemühen, auch dort herrscht ja die „Ländliche Idylle“.

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Schwielowsee - Diese Ausstellung wird man weder in Berlin noch in Potsdam zu sehen bekommen! Wer sich also über die mehr als fünfzig schlesischen Schlösser und Herrenhäuser informieren möchte, muss sich schon nach Caputh bemühen, auch dort herrscht ja die „Ländliche Idylle“. Konzipiert vom Museum für schlesische Landeskunde in Königswinter-Heisterbacherrott, präsentiert vom Kulturforum östliches Europa und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg, führt sie die vorherigen Expositionen über Herrenhäuser in Ostpreußen und Estland weiter. Sie zeigt gleichsam die noch intakte Seite des heute „gefährdeten Weltkulturerbes“ im Niederschlesischen, rund um Breslau.

Der Berliner Verleger Alexander Duncker hatte ab Mitte des 19. Jahrhunderts weithin unbekannte Künstler („Gebrauchsgrafiker“) beauftragt, all die 227 Guts- und Schlossanlagen zu konterfeien, wer darin wohnte, sollte seinen Text dazugeben. Wenn ein Band „voll“ war, wurden die Farblithographien gedruckt und gebunden. So entstanden zwischen 1857 und 1883 sechzehn dieser Bände mit fast tausend Abbildungen, wozu auch das Brandenburger Gebiet gehört. Adressat waren die Adligen jener Anwesen retour, ihre Freunde, Feinde oder Neider. Als ein exklusives Stück „Landeskunde“ haben sie sicherlich bleibenden, historischen Wert.

Schlesien galt damals als reiche Provinz, dazu, weil mit schönen Gegenden geschmückt, zunehmend als Urlaubsgebiet. Es siedelten sich alter und junger Adel an, auch neureiche Bürger. Jeder hatte seinen Stil, die einen pflegten ihr Barock-Original, andere bauten ein Renaissancehaus barbarisch zur Neogotik um, nur eine dieser schönen, stets auf Harmonie abgestellten Veduten zeigt eine Fabrikantenvilla mit danebenstehender Fabrik unter Voll-Dampf, die Jordansmühl bei Koppen. Sonst findet man, zweisprachig beschriftet, das Exilhaus des letzten sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. oder das Anwesen der Prinzessin Dorothea von Kurland als Foto-Repro, sie war noch beim Wiener Kongress 1815 dabei.

Solche Zusatzinformation hält das empfehlenswerte Begleitheft bereit, auch ein passender Reiseführer wird im Seitenflügel des Schlosses angeboten. Viele der abgebildeten Häuser haben übrigens ein ähnliches Format wie dieses churfürstliche hier. Wegen der Lichtverhältnisse ist das Original-Buch nicht ausgestellt, dafür sind drei Fenster mit Bannern versehen, auf denen, recht blass, je eine Vedute durchscheint, und es gibt eine moderne Landkarte, worauf alles Ausstellungswerk ganz generalstabsmäßig mit roten Fähnchen bestückt wird. Was blau ist, steht nur im Buch des „wiederentdeckten“ Herrn Duncker.

Alles Landschaft, alles Idylle. Viel ist zu sehen, mehr zu entdecken. Mal trifft man einen glücklichen Gärtner beim Werken, mal wird man eines ganz paganischen Misthaufens samt Geflügel gewahr. Kutschen, Teiche, Pferde. Die Häuser mal in Nahaufnahme, mal eingebettet in bergiges Land. Parkgestaltung war Adelssache. Alles Repräsentation, Harmonie. Die Herren wussten schon, wo sie sich ansiedelten. Heute ist das meiste verfallen, es fehlt an Geld und Konzepten. Im Krieg erobert, durch Kriege verloren – da schwingt auch Sehnsucht mit. Zur liebevoll gestalteten Wanderausstellung sind drei vertiefende Vorträge im Potsdamer HBPG geplant, etwa über das schlesische Reisetagebuch einer polnischen Fürstin von 1816. Man sollte auch sie nicht verpassen.

Bis 13. Juli täglich 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei

Gerold Paul

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