
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: Alles von der eigenen Scholle
Diskussion über „Werder 2030“: Schließt sich die Stadt der „Transition Town“-Bewegung an?
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Werder (Havel) - Die Werderaner haben sich abgenabelt: Sechs Bauernhöfe sorgen für die Grundversorgung der Einwohner. Auf den großen Brachen haben Bürger Gemüseparzellen angelegt und der einst kriselnde Obstbau erlebt eine neue Blüte. Auf der Glindower Platte produzieren Windräder Energie für alle Einwohner, auf den Dächern Solarpaneele. Und Elektro-Rikschas und Fahrräder haben Autos fast vollständig von den Straßen verdrängt. Werder, eine „Transition Town“, eine Stadt im Wandel – solche Zukunftsbilder wurden von den Teilnehmern eines Talks am Dienstagabend im Begegnungshaus „Treffpunkt“ skizziert. Das Thema: Werder im Jahr 2030.
„Lebendig, geschäftig, zukunftsfähig“ wünscht sich Treffpunkt-Leiterin Christel Heise ihre Stadt. Doch Werder sei in allen Bereichen abhängig von billigem Erdöl, auf dessen weitere Verknappung müsse man sich einstellen. Heise hofft dazu auf Mitstreiter für ihre Idee, sich der „Transition Town“-Bewegung anzuschließen. Sie geht auf den irischen Wissenschaftler Rob Hopkin zurück. Vor sechs Jahren war Hopkin mit Studenten im Kinsale-College der Frage nachgegangen, was Kommunen gegen Ressourcenknappheit und Klimawandel tun können. Am Ende stand ein heiteres Konzept für eine Graswurzelbewegung: Bürger sollen nicht auf Politiker warten und ihre Kommunen selbst umkrempeln – zur „Transition Town“ mit einem Wirtschaftsleben, das zu lokalen Kreisläufen zurückfindet und nicht am Tropf fossiler Brennstoffe hängt.
Von einem „lustvoll gelebten Weniger“ sprach Heise. In 450 Kommunen weltweit sind Bürger dem Ansatz gefolgt. Der konzeptionelle Künstler Frank W. Weber, Kurator der Stadtgalerie, befand, dass auch Werder gute Chancen dafür hätte. Er entwarf eine Vision für eine Stadt, in der es nur noch einspurige Straßen gibt, die sich Autofahrer mit Radlern teilen. „Es gibt keine Verkehrsschilder mehr und bei Tempo 30 ist Schluss.“ Auf der Glindower Platte würden acht Windräder stehen „und keiner hat etwas dagegen, weil sie den Strom für alle produzieren“. Auch für die autarke Versorgung mit Lebensmitteln habe die Stadt mit ihrer Obstbautradition beste Voraussetzungen, Hausgärten gebe es auch. „Werder war doch schon immer ein gallisches Dorf.“
Immerhin sei der neue Bürgergarten „meine ernte“ im ersten Jahr schon recht gut gelaufen, sagte Werders Bürgermeister Werner Große (CDU), der die Runde zurück ins Hier und Heute führte. Doch ohne Industrie und Gewerbe gehe gar nichts, „von Obstbau und Tourismus allein können wir nicht leben“. Auch Große hält die Energiewende für eine Herausforderung und sieht in Fotovoltaikanlagen, wie sie auf dem Dach des neuen Feuerwehrdepots installiert sind, die Zukunft. Doch die Energiewende müsse „verträglich“ bleiben: „Es kann nicht sein, dass bei Windrädern der Haussperling mehr Schutz genießt als der Mensch.“ Die Kosten für eine Energiewende dürften nicht vernachlässigt werden: „Wenn der Strom neun Cent teurer ist, wird es eng.“
Was Ideen für einen Stadtumbau angeht, stoße man durch die Unzahl an Vorschriften schnell an Grenzen. Die Notwendigkeit für Änderungen im Stadtbild sieht auch der Bürgermeister, vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel. Es werde nicht einfach, die Einwohnerzahl von 23 000 zu halten. Zudem müsse man sich auf eine wachsende Zahl von Senioren einstellen. „Öffentliche Räume müssen für Ältere noch begehbar sein.“ Ob zum Beispiel das Altstadtpflaster wichtiger ist als die einfache Fortbewegung mit Rollatoren, werde bald schon ein Thema.
Auf der anderen Seite haben sich Mitglieder des Jugendklubs 01 Gedanken über das künftige Werder gemacht, die Jugendklubleiterin Katrin Gütschow vortrug. Werder wäre demnach ein Stadtteil von Berlin, hätte eine Diskothek. Es gäbe Sportplätze, die an Sommerabenden nicht geschlossen werden – und ein besser beheiztes Kino. Vielleicht ja dank neuer Windräder.
Gründungstreffen für „Transition Town Werder“ am 22. November um 18 Uhr im Treffpunkt, Plantagenplatz 11. Kontakt zu Christel Heise unter (033 27) 424 23.
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