Von Sandra Dassler: Als Einsiedlerin in Schweizer Waldhütte gelebt
Jetzt muss die 12 Jahre lang vermisste Belzigerin eine neue Bleibe suchen / Vielleicht kehrt sie zurück
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Belzig/Bolligen - Zwölf Jahre lang galt sie als vermisst. Zwölf Jahre lang wussten ihre Angehörigen nicht, ob die Frau noch lebt. In der vergangenen Woche meldete die Polizei, dass die 52-Jährige aus Belzig in der Schweiz gefunden wurde (PNN berichteten). Gabriele S. wohnt in der Nähe von Bern in einer primitiven Hütte mitten im Wald. Allein, aber, wie ein Schweizer Polizeisprecher den PNN sagte: „offensichtlich gesund und glücklich“.
Doch in der Hütte kann sie nicht bleiben, sagt Rudolf Burger. Er ist Gemeindepräsident von Bolligen, in dessen Nähe die Frau lebt. Das Waldstück selbst gehört der Nachbargemeinde: „Die hat die Einsiedlerin aufgefordert, den Wald zu verlassen“, sagt Burger: „Wir haben ihr eine neue Unterkunft und Betreuung angeboten, aber das hat sie abgelehnt.“ Burger geht davon aus, dass die Frau lieber weiter für sich bleiben würde. Trotzdem hat er gestern ihre Angehörigen in Brandenburg gebeten, sie nach Hause zu bringen.
Es war die Mutter von Gabriele S., die ihre Tochter Anfang 1997 als vermisst gemeldet hatte. Da war die Verschwundene 40 Jahre alt und ihre beiden Kinder bereits erwachsen. Die Frau habe in Belzig unauffällig gelebt, sagt Polizeisprecher Torsten Ringel: „Wir haben nach ihrem Verschwinden die üblichen Ermittlungen geführt, hatten aber keine Hinweise, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.“ Gabriele S., die vor ihrem Verschwinden nur gesagt hatte, sie wolle den Papst in Rom besuchen, wurde in die Vermisstendatei aufgenommen. Zwölf Jahre lang fehlte jede Spur von der als „nervlich etwas labil, aber nicht psychisch krank“ beschriebenen Frau. In der vergangenen Woche jedoch erhielt die Schweizer Polizei den Hinweis eines besorgten Bürgers, wonach eine Frau allein im Wald bei Bolligen lebe. „Der Mann hatte die Frau zwar schon früher manchmal gesehen“, sagt Gemeindepäsident Burger: „Aber da war es Sommer. Jetzt hatte er Sorgen, wie sie in der Kälte zurechtkommt.“
Die Schweizer Polizisten besuchten Gabriele S. in ihrer aus Blech und Buschwerk gebauten Hütte und nahmen ihre Personalien auf. Da die Schweiz seit Jahresbeginn Mitglied im Schengen-Raum ist und Zugriff auf das gemeinsame Fahndungssystem hat, fanden sie schnell heraus, dass Gabriele S. in Deutschland vermisst wird.
„Für uns war es ein Glückstag, als die Meldung von den Berner Kollegen eintraf“, sagt Polizeisprecher Ringel: „Wir haben die Mutter, die damals die Vermisstenanzeige aufgegeben hatte, informiert und den Fall abgeschlossen.“
Dass Gabriele S. über ihre Entdeckung glücklich ist, darf bezweifelt werden. „Sie wollte nicht, dass Kamerateams sie filmen“, sagt Gemeindepräsident Burger: „Da drückte sie sich klar aus, war geistig völlig auf der Höhe. Allerdings hat sie dann wieder von Ketzern geredet und einer Mission, die sie beenden müsse.“
Auch die vergangene Nacht wollte Gabriele S. in ihrer Hütte verbringen. Heute will ihre jüngere Schwester sie abholen. „Wenn sie Hilfe braucht, ist das gut“, sagt der Leiter des Kriminologischen Institutes Hannover, Christian Pfeiffer: „Ansonsten sollte man sie in Ruhe lassen. Gabriele S. hat ihr einsames Leben bewusst gewählt, es ist hart, aber für sie so in Ordnung und vor allem frei. Ich wünsche ihr, dass sie bald eine neue Hütte findet.“
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