Potsdam-Mittelmark: Als Loriot in den Dom kam
Der Kleinmachnower Autor und Buchhändler Dieter Mehlhardt löste mit einem Zeitungsartikel bei der SED-Bezirksleitung Entrüstung aus
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Kleinmachnow - Der Regionalhistoriker und Naturkundler Dieter Mehlhardt (1927 - 1988), den der Heimatverein Kleinmachnow kürzlich ehrte (PNN berichteten), war bis zu seinem frühen Tod mehr als ein Jahrzehnt auch Autor der damals „Brandenburgischen Neuesten Nachrichten“ (BNN). Er veröffentlichte hier mehr als 200 heimatgeschichtliche Beiträge, darunter die vielteilige Reihe „Denkmäler unseres Kreises“.
Dass sich der geradlinige Mann den Zwängen der SED-Zeit nicht beugte, zeigt eine Episode: Als Ende Mai 1985 der berühmte Zeichner und Humorist Loriot (Vicco von Bülow) erstmals in der DDR, im Dommuseum seiner Geburtsstadt Brandenburg, ausstellen durfte, übernahm Dieter Mehlhardt die Berichterstattung. Über die Ausstellung war auf Regierungsebene lange verhandelt worden, zur Eröffnung fanden sich auch der Staatssekretär für Kirchenfragen Klaus Gysi und der Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR, Hans Otto Bräutigam, ein. Altbischof D. Albrecht Schönherr begrüßte Vicco von Bülow: Karl Kultscher hielt die Laudatio. Er hatte bereits 1979 im Eulenspiegel-Verlag „Das Große Loriot-Buch“ herausgegeben, das nur als „Bückware“ zu erhalten war.
In seinem Bericht ging Dieter Mehlhardt nicht allein auf die Ausstellung ein, eindrucksvoll schilderte er auch den Empfang der Brandenburger für Loriot: „Alle Besucher erhoben sich von ihren Plätzen und spendeten ihm spontan herzlichen Beifall, ihm, dem hochgewachsenen Mann, dessen weißer Haarschopf und ein mildes, fast verlegenes Lächeln im Gesicht ihn leicht erkennbar machten Sichtlich bewegt dankte Vicco von Bülow alias Loriot seinen ''lieben, lieben Brandenburgern''. Er sei nicht trotz vieler wichtiger Aufgaben nach Brandenburg gekommen, sondern es habe für ihn nichts Wichtigeres gegeben, als in Brandenburg anwesend zu sein. Er habe zweierlei empfunden, als er in der Stadt eintraf: Respekt und Liebe. Und er dankte der Stadt, dass sie ihn aufgenommen hat wie einen nicht verlorenen Sohn.“ Für die Leser der BNN gab Vicco von Bülow Dieter Mehlhardt auf dessen Bitte einen gezeichneten Gruß mit.
Mehlhardt überschrieb seinen am 30. Mai 1985 in den BNN erschienenen Beitrag „Der Vogel - scheint mir - hat Humor“. Der ging der SED-Bezirksleitung offensichtlich ab. Der BNN-Chefredakteur wurde auf den Potsdamer Kreml zum so genannten „Beauftragten für die Blockparteien“ einbestellt. Der bezeichnete den Artikel als „gesamtdeutsche Gefühlsduselei“, mit dem die Zeitung dem „Klassenfeind ihre Spalten geöffnet“ habe. Von Herrn Mehlhardt wünsche man nie mehr eine Zeile zu lesen.
Bereits drei Wochen später erschien in den BNN turnusgemäß die nächste Folge der „Denkmäler unseres Kreises“. Dieter Mehlhardt blieb bis zu seiner schweren Erkrankung ein geschätzter Autor der „Brandenburgischen Neuesten Nachrichten“.
Erhart Hohenstein
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