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KulTOUR: An Büchern schnuppern
Eine Ausstellung in Caputh widmet sich Bettina Hürlimann und der Vergangenheit der Kinderbücher
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Schwielowsee - „Bücher riechen gut“, behauptet die neue Ausstellung im Seitenflügel des Schlosses Caputh. Mit diesem sinnlich-pädagogischen Trick sollen nicht nur zunehmend computerfaszinierte Kinder wieder an das gute alte Buch erinnert werden, sondern auch an die, die sich einst mit Herz und Seele für ihre Verbreitung einsetzten.
In diesem Sinn kommen jetzt in Caputh gleich mehrere Dinge auf schöne und nützliche Weise zusammen: Das Kulturland-Jahresthema „Kindheit in Brandenburg“ verband sich mit der deutsch-schweizerischen Kinderbuchautorin und -sammlerin Bettina Hürlimann (1909-1983), die lange in Potsdam und in Caputh wirkte. Die Vergangenheit des Kinderbuches „verlinkt“ sich mit der Gegenwelt des Computer-Flairs. Der Geruch alter Schmöker soll dem heutigen Lese-Nachwuchs wieder in die Nase steigen. Das Ziel der betont interaktiven Schau ist schnell benannt: „Wir wollen, dass die Bücher erhalten bleiben.“ Kontinuität also im Nebeneinander der Zeit.
Zu diesem Zweck findet man in nur einem Raum viele Stationen. Schautafeln informieren über die älteste Kiepenheuer-Tochter, die mit ihren Eltern viele Jahre auf einem Hausboot in Potsdam lebte, Typografie studierte, in zweiter Ehe den Atlantis-Verleger Martin Hürlimann heiratete und 1939 in die Schweiz umzog, wo sie Kinderbücher verlegte, schrieb, illustrierte und sammelte. 4200 Titel im Ganzen, sie sind beim schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien in Zürich deponiert. Einige davon hängen als Kopien an langen Bändern von der Decke herab – „in kindgerechter Höhe“, wie es hieß. Zum Anfassen, Lesen und – Riechen.
Im spurensuchenden Rundum-Angebot gibt es natürlich viel mehr als die Dokumentation zu Hürlimanns Leben und Wirken. Zum Beispiel wird ein historisches Verlegerbüro mit altem Schreibtisch und einer „Fortuna“-Tippmaschine imitiert, auf der Kinder eigene Geschichten tippen können. Gegenüber ein Zelt wie ein aufgeklapptes Buch, darin kann man sich auf rotem Kissenzeug lümmeln und ausschmökern, was da an Kinderbüchern zu finden ist, nicht bloß „Pippi Langstrumpf“ und die „Bullerbüs“!
Zu erleben, zu entdecken und natürlich zu „beriechen“ ist also mehr als genug. So bieten die Veranstalter Kurse an, wo man selbst Geschichten erfinden und sie in „Zickzackbücher“ (Leporellos) übertragen kann. Eine Potsdamer Theatergruppe stellt ein Projekt vor, darin sich die Protagonisten vieler bekannter und unbekannter Kinderbücher treffen, um gemeinsam derzeit noch geheime Aufgaben zu lösen. Und neben dem Selberschmökern kann man sich sogar Geschichten vorlesen oder vorerzählen lassen, ohne gleich „Faulpelz“ genannt zu werden.
Ein Extra ist die „japanische Abteilung“, die nicht nur Hürlimanns spätere Reisefreude dokumentiert, sondern auch ihre verlegerischen Brückenschläge von und nach Fernost. Damit man weiß, wie Japanisch klingt, können sich die Kinder eine Geschichte in dieser Sprache anhören – war es nicht die von den schlafenden Tierkindern?
Was Caputh hier in Kooperation mit Kulturland Brandenburg und den Zürichern für Horte, Schulklassen, für Groß und Klein bietet, ist spitze! Sogar Petra Reichelt, Kustorin vom Churfürstlichen, ist begeistert: „Endlich mal keine Ausstellung nur über Schlösser!“ Man hatte eben nicht nur ein riesengroßes Herz für die Kinder, sondern auch eine gute Nase für das, was in dieser Zeit wichtiger als ein Computer ist: das Buch, das Lesen, und der Geruch der Dinge. Gerold Paul
Bis 26. Oktober, Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr oder nach Vereinbarung.
Gerold Paul
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