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Potsdam-Mittelmark: „An dieser Stelle wäre es wirklich mal sinnvoll, zu sparen“

Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein über die Ortsumgehung Michendorf, die Schleuse in Kleinmachnow und das Umdenken in der SPD-Verkehrspolitik

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Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein über die Ortsumgehung Michendorf, die Schleuse in Kleinmachnow und das Umdenken in der SPD-Verkehrspolitik In jüngster Vergangenheit wird von den Gegnern der Ortsumgehung Michendorf immer wieder kolportiert, es seien überhaupt keine Mittel im Bundeshaushalt für die neue Straße da. Wir haben die Probleme mit der Maut, im Bundesverkehrshaushalt 2004 sollen bereits 500 Millionen Euro gesperrt worden sein. Sie sind Mitglied des Deutschen Bundestag und sollten es wissen: Gibt es noch eine Finanzierungsgrundlage? Die Finanzierung der Ortsumgehung Michendorf ist gesichert, da gibt es auch durch die Mautgebühren keine Ausfälle. Es bestehen Überlegungen im Verkehrsministerium, bestimmte Verkehrsprojekte aus der Planung 2004 heraus zu nehmen, um die Maut-Löcher zu stopfen. Aber davon werden die Verkehrsprojekte der Neuen Länder nicht betroffen sein. Sie haben sich trotzdem dafür ausgesprochen, zu verharren und nochmal über die Ortsumgehung nachzudenken, und dabei auch auf die Haushaltslage verwiesen. Fallen Sie damit Ihren SPD-Genossen im Land, die die Straße auf den Weg gebracht haben, nicht in den Rücken? Ich sehe das natürlich nicht so. Ich habe immer mit offenen Karten gespielt und mir nach gründlicher Abwägung und vielen Gesprächen ein Bild gemacht. Die jetzige Ost-Variante ist unvernünftig. Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der neue Verkehrsminister, Frank Szymanski, der das Projekt ja von seinem Vorgänger übernommen hat, zu Gesprächen bereit ist. Es ist ein qualitativer Sprung, dass er mit Betroffenen geredet hat und redet, auch wenn das Projekt jetzt sicher nicht mehr neu geplant werden kann. Die Chance sollte von den Gegnern genutzt werden, um den Schaden so weit als möglich zu begrenzen – ob beim Lärmschutz oder bei den Eingriffen in den Naturraum. Richtet sich die Kritik also eher gegen den Vorgänger Frank Szymanskis als gegen die SPD-Verkehrspolitik? Ja. Mit Frank Szymanski wäre es im Vorfeld gelungen, eine bessere Lösung zu finden. Was genau monieren Sie an der Ostvariante? Sie ist keine echte Umgehung sondern eine Durchschneidung des mit der Gemeindestrukturreform neu entstandenen Gemeindegebietes. Sie wird viele Bürger in der Lebensqualität beeinträchtigen und bedeutet einen gravierenden Einschnitt in die Natur. Es ist nicht gut, Tatsachen zu schaffen, bevor es ein Gesamtkonzept über Verkehrsströme und andere Möglichkeiten der Verkehrsentlastung in Abstimmung zwischen Potsdam und Potsdam-Mittelmark gibt. Ich bedaure es sehr, dass die Diskussion so lange dauert. Das bedeutet leider auch für diejenigen Michendorfer eine Belastung, die an der Potsdamer Straße zu leben haben. Es gibt regelmäßige Messungen an der B2 in Michendorf, bei denen sich zeigte, dass der Verkehr zunimmt. Wir hatten demnach in den vergangenen Jahren, auch nach Umbenennung der Abfahrt „Potsdam Süd“ in „Michendorf, Beelitz“, eine Steigerung von knapp 15000 (1999) auf jetzt knapp 17000 Kfz pro Tag. Es gibt Prognosen, laut denen im Jahr 2012 etwa 19000 Fahrzeuge täglich die Straße nutzen werden. Es gibt die Analysen vom Bund, dass der Lkw-Verkehr in Deutschland bis 2015 (gegenüber 1997) um 70 Prozent anwächst. Andere Studien malen ähnliche Horrorszenarien. Welche handfesten Alternativen gibt es denn, dem Verkehrskollaps zu begegnen? Die Fragestellung berührt sicher die gesamte Verkehrsplanung des Landes und des Bundes. Die Maut-Gebühren sollen ja dazu eingesetzt werden, die Verkehrssituation positiv zu beeinflussen. Wir werden die Mittel vorrangig einsetzen, um die Schienennetze, die bei weitem nicht ausgelastet sind, zu modernisieren. Und dann muss man natürlich auch die Wasserstraßen schiffbar machen. Man muss sich auf allen politischen Ebenen Gedanken machen. Wir sehen, dass es auf kommunaler Ebene anfängt: Ohne Verkehrskonzepte der Regionen gibt es keine sinnvollen Planungen des Landes. Und solange wir keine politischen Schwerpunktsetzungen auf Bundesebene, auch mit dem entsprechenden Geld, realisieren, wird es uns nicht gelingen, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Sind Umgehungsstraßen überhaupt eine Lösung? Straßen, so wichtig wie sie sind, gerade die zahlreichen im Land geplanten Umgehungsstraßen, führen nicht unbedingt dazu, dass es den Regionen besser geht. Wir müssen überlegen, wie wir das Geld, das immer weniger wird, sinnvoll und nachhaltig einsetzen. Da ist einiges falsch gelaufen in der Vergangenheit. Ich habe aber das Gefühl, dass mit Frank Szymanski ein Umdenken möglich ist und dass andere Projekte für Umgehungsstraßen nochmal geprüft werden. Sie haben als Alternative zur Straße neben der Schiene auch den Wasserweg genannt. Trotzdem haben Sie sich auch kritisch zum Schleusenausbau in Kleinmachnow geäußert. Wo soll denn der Verkehr nun hin? Sie haben ja vorhin schon die prekäre Lage der öffentliche Kassen angesprochen. Es gibt bei solchen Projekten immer drei Aspekte: den der Umwelt, den der Belastung der Menschen und natürlich auch immer den finanziellen Aspekt. Wir müssen genau überlegen, wo und wie wir die Fördermittel einsetzen, um den Standort und die Wirtschaft zu stärken und die Bildung, Wissenschaft und Forschung voran zu bringen. Das wären für mich die Schwerpunkte, weniger die Großprojekte, und dazu zähle ich auch die großen Verkehrsprojekte. Was heißt das in der Schlussfolgerung? Man sollte neue Prioritäten setzen und auch in der Politik den Mut haben, über geplante Vorhaben nochmal nachzudenken. Und wenn sich die Wirtschaftlichkeitsberechnungen so verhalten, wie jetzt bei der Schleuse in Kleinmachnow, und sich das prognostizierte Schifffahrtsaufkommen bei weitem nicht so wie erwartet entwickelt, muss man sich fragen, ob die Größe des Ausbauprojektes für die Schleuse noch sinnvoll ist. Ich bin nicht gegen eine Modernisierung der Schleuse. Die ist angesagt und man muss da auch eine Größe finden, die den künftigen Optionen gerecht wird, wenn wir an den europäischen Schifffahrtsverkehr denken. Aber ich wage zu bezweifeln, dass ein Ausbau auf 195 Meter nötig ist. Bislang hatte man eher den Eindruck, dass die Schleuse mit dem Verkehrsprojekt 17 eine heilige Kuh ist, an die man sich nicht heran traut. Welchen Eindruck haben Sie denn, wie sich die Entscheidungsträger auf bundespolitischer Ebene mit den neue Daten und Erhebungen auseinander setzen? Es gibt eine sehr tiefgehende Auseinandersetzung. Und ich habe den Eindruck, das beim Thema Havelausbau und Schleusenausbau noch Spielräume bestehen. Sicherlich haben die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit oberste Priorität, aber man kann sie nur realisieren, wenn der Bedarf und das Geld da sind. Wir können da auch nicht nur gucken, wie es in Brandenburg aussieht. Berlin ist ja, was den Osthafen betrifft, auch nicht ganz unbeteiligt. Und dort hat man sich schon vor Jahren vom Hafenausbau verabschiedet. Es macht keinen Sinn, punktuell Tatsachen zu schaffen und dabei das Ganze aus den Augen zu verlieren. Deshalb glaube ich, dass Vernunft einkehrt. Denn an dieser Stelle wäre es wirklich mal sinnvoll, Gelder einzusparen. Die Kritiker vor Ort in Kleinmachnow, die immer wieder sagten, die Prognosen sind überaltert, überholt und überzogen, haben ja schon seit Jahren an die Bundespolitik appelliert, das Projekt nochmal auf den Prüfstand zu setzen. Warum dauert so was solange, warum müssen sich erst Leute an Bäume anketten, um unsinnige Baumfällungen zu verhindern? Es gibt natürlich immer unterschiedliche Interessenlagen. Auf der einen Seite sind da die betroffene Anwohner und Bürger, die durch solche Projekte unmittelbar in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind. Auf der anderen Seite gibt es wirtschaftliche Gründe, die den Anlass geben, solche Projekte zu planen und zu realisieren. Es muss einen Mittelweg geben, der möglichst allen Seiten gerecht wird. In Kleinmachnow heißt es oft: Wir wissen nicht, welche Mächte dahinter stecken, dass solange an diesem Großprojekt festgehalten wird. Ist denn die Lobby der Binnenschifffahrt und der Bauwirtschaft so groß, dass man sich ihr so maßgeblich ausgesetzt sehen muss? Ich habe auch dieses Projekt schon seit Jahren verfolgt und kenne auch noch die ursprüngliche Planung des Havelausbaus. Durch den Widerstand sind schon viele Knackpunkte beseitigt worden, gerade im sensiblen Potsdamer Bereich. Eine Initiative seitens der Bürger hat oft Erfolg, wenn man kompromissbereit, sachlich und kontinuierlich arbeitet. Das gilt für die Schleuse Kleinmachnow wie für den gesamten Havelausbau. Beim Havelausbau gibt es ansich nur noch den einen, wichtigen, neuralgischen Punkt, und das ist die Schleuse. Da müssen wir jetzt ran. Das Gespräch führten Henry Klix und Peter Könnicke

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