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Die antisemitischen Beschimpfungen waren gestern das einzige Pausenthema in Werder.

© Henry Klix

Antisemitische Beleidigung: „Angemessen reagiert“

Nach antisemitischen Hetzparolen kämpft Ossietzky-Schule in Werder um ihren guten Ruf

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Werder (Havel) - In der Schülerschaft sei man sich einig, sagen Christina und Louis: „Das war unter aller Sau.“ Die antisemitischen Beleidigungen gegenüber Mitarbeiterinnen des Jüdischen Museums Berlin waren gestern das einzige Pausenthema, sagen die beiden Schülersprecherinnen der Carl-von-Ossietzky-Oberschule in Werder. „Von allen hört man das Gleiche: Voll daneben“, erklärt die 16-jährige Louis. „Ich hoffe auf eine gerechte Strafe“, ergänzt die gleichaltrige Christina. „Die haben nicht nachgedacht, was sie sagen.“ Trotzdem: Der Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sei nicht nur ein Etikett an der Eingangstür. „Hier herrscht wirklich gegenseitiger Respekt, das wird gelebt“, so Louis. Ähnliche Vorgänge habe es nie gegeben, wegen vier Leuten könne man nicht die ganze Schule schlechtreden.
Der Vorwurf wiegt schwer: Vier 15-Jährige sollen am Donnerstag zwei Mitarbeiterinnen des Jüdischen Museums in der großen Pause mit antisemitischen Schimpfwörtern angepöbelt haben. Sie waren mit einer dritten Kollegin für einen Aktionstag zum Thema „Jüdisches Leben seit 1945“ angereist. Auf dem Schulhof war eine mobile Ausstellung mit Gegenständen des jüdischen Lebens aufgebaut. Einer der Schüler soll gesagt haben: „Euch hätte man früher vergast.“
Die Leiterin der Bildungsabteilung des Museums, Tanja Petersen, sagte gestern dem rbb-Inforadio, dass die Lehrer in der Situation nicht kooperiert und „mit Zuständigkeiten“ argumentiert hätten. Nächste Woche will sich das Museum ausführlich zu dem Vorgang äußern, gestern war dort wegen des Jüdischen Neujahrsfestes niemand zu erreichen. Schulleiterin Ines Amelung entschuldigte sich gestern derweil erneut für den Vorfall. Sie werde den Kontakt zum Museum suchen und hoffe sehr, dass man die Zusammenarbeit wieder aufnehmen kann.
Am Donnerstag seien die Museums-Mitarbeiterinnen sofort abgereist. „Ein Gespräch war leider nicht mehr möglich.“ Für den „Schock“ zeigte sie Verständnis. Die Klassen, die noch am Aktionstag teilnehmen sollten, seien aber enttäuscht gewesen. Denn dass durch die Darstellung des Museums entstandene Bild, dass es sich um eine fremdenfeindliche Einrichtung handelt, sei alles andere als zutreffend, wie Amelung betonte.
„Auch die Pausenaufsicht hat in der Situation vorbildlich reagiert und nicht weggesehen“, erklärte die Schulleiterin. Die Kolleginnen hätten sich unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls den Schülern zugewandt und in kurzer Zeit mit Hilfe der Mitschüler die vier Täter herausgelöst und zur Schulleitung gebracht. Zwischenzeitlich hätten die Museumsmitarbeiterinnen die Polizei informiert, der sofort geholfen werden konnte. Der Staatsschutz ermittelt zum Verdacht der Volksverhetzung.
Die Schüler hätten sich augenblicklich entschuldigt, so Amelung. Gestern gab es auch schriftliche Entschuldigungen, einer der Beteiligten weinte. „Alle wissen, wie sehr sie dem Ansehen ihrer Schule geschadet haben.“ Bei einer Klassenkonferenz am 17. Oktober solle über disziplinarische Maßnahmen nachgedacht werden. „Als Lehrer sind wir aber nicht dafür da, die Kinder auszugrenzen, sondern mit ihnen zu arbeiten“, betonte sie.
Auch der Geschäftsführer der Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule, Alfred Roos, befand gestern, die Lehrer hätten angemessen reagiert und gezeigt, dass die Schule den Titel „Schule ohne Rassismus“ verdient. Verbindungen zur rechtsextremen Szene habe keiner der Jugendlichen, sagte Roos. Elternsprecher Matthias Voigt bestätigte das. „Ich kann sehr gut verstehen, dass die Mitarbeiterinnen des Museums sofort abgereist sind“, so Voigt. Dass von den 15-Jährigen eine tatsächliche Bedrohung ausgegangen ist, glaube er aber nicht. „Aus pädagogischer Sicht wäre es natürlich wünschenswert gewesen, die Situation aktiv zu nutzen. Es wäre eine Chance gewesen, den Schülern klarzumachen, was sie da eigentlich sagen.“ Auf dem Pausenhof gab es gestern auch kritische Töne zum Verhalten der Museumsmitarbeiterinnen: Sie seien zum Projekttag fast eine halbe Stunde zu spät erschienen und hätten die in der Kälte wartenden Schüler als „nicht sozial“ bezeichnet, als sie nicht gleich beim Aufbau der Ausstellung helfen wollten. „Das kam bei einigen fälschlicherweise an wie ,asozial’“, erzählte eine Schülerin. Den Vorfall entschuldigen wolle sie damit nicht. (mit epd)

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