
© Thomas Lähns
Raupen-Plage: Angst vor Quaddeln und Atemnot
Es sind wieder Hubschraubereinsätze gegen den Eichenprozessionsspinner geplant - noch fehlt aber die Genehmigung. Der Landesbetrieb Forst Brandenburg geht von einer „ausgesprochen hohen Gefährdung“ in den kommenden Monaten aus.
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Potsdam-Mittelmark – Den letzten Sommer am Schwielowsee hat Regina Reister in schlechter Erinnerung: Ihre Tochter bekam plötzlich rote Quaddeln auf der Haut, ihr Mann klagte über Atemnot und sie selbst litt wochenlang unter einer Bindehautentzündung. Schuld war der neue „Nachbar“ in dem Wäldchen an der Caputher Flottstelle, wo Reisters ihr Wochenendhaus haben. Die Raupen des Eichenprozessionsspinners hatten hier in Scharen die Bäume bevölkert und ihre giftigen Brennhaare verstreut – manche der Tiere seien bis an die Häuser vorgedrungen und hätten sich in den Ritzen verkrochen, berichtet die Berlinerin. Bangen Blickes schaut die junge Frau nun an den Eichen vor ihrem Grundstück empor und fragt sich, ob es in diesem Jahr wieder so schlimm wird.
Der Landesbetrieb Forst Brandenburg geht von einer „ausgesprochen hohen Gefährdung“ in den kommenden Monaten aus. Denn der Plage konnte im vergangenen Jahr nur eingeschränkt zu Leibe gerückt werden. Die Hubschrauber, welche das Pflanzenschutzmittel Dipel ES über den Forst zwischen Ferch und Michendorf versprüht hatten, mussten große Abstände zu bewohntem Gebiet sowie zu Straßen und Autobahnen halten. Und so blieb der Spinner ausgerechnet dort unbehelligt, wo er am liebsten nistet: An den Waldrändern. Das eingesetzte Präparat, dessen Wirkstoff auch in der Natur vorkommt, wird von den Raupen gefressen und entwickelt Sporen, die sie schließlich verenden lassen. Unter günstigen Bedingungen können so 80 bis 90 Prozent der Schädlingsbestände vernichtet werden – und das auf mehrere Jahre, erläutert Katrin Möller vom Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde.
Zwar räumt das für eine Freigabe verantwortliche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ein, dass bei Dipel „schädigende Auswirkungen auf die Gesundheit bei Spritzanwendung“ nicht zu erwarten seien. Das gelte jedoch nicht für die Ausbringung aus der Luft: Für eine Risikobewertung in dem Fall würden die vorhandenen Unterlagen nicht ausreichen, heißt es. Einen Antrag zum Einsatz des Mittels in Brandenburg sei bereits Anfang Februar beim BVL eingereicht worden, so Möller, eine Antwort wurde nun für nächste Woche angekündigt. Die Expertin mahnt zur Eile: In zwei Wochen sei der beste Termin, geplant seien Hubschrauberflüge beidseitig der A9 bei Niemegk sowie in einem Wald bei Siethen (Teltow-Fläming). Zwischen Michendorf und Ferch sei derzeit nichts geplant, hier soll das Mittel im vergangenen Jahr – so weit wie möglich – gewirkt haben. „Wir stehen in den Startlöchern“, so Möller.
Auch die Raupen werden allmählich aktiv und begeben sich auf Nahrungssuche. Sobald die Eichen austreiben, wird man sie dann wieder – wie in einer Prozession – die Bäume entlang kriechen sehen. Kommunen wie die Gemeinde Nuthetal haben bereits angekündigt, befallene Bäume in ihren Gemarkungen Ende April ebenfalls biologisch zu behandeln. Eine weitere Methode war im vergangenen Jahr unter anderem in der Gemeinde Schwielowsee angewandt worden: Mit Industriestaubsaugern wurden die Gespinstnester von den Bäumen geholt.
Laut Landesforstzentrum sind rund 1000 Hektar Wald in Brandenburg im vergangenen Jahr befallen gewesen. Dass die Raupen die Bäume nachhaltig schädigen – mittlerweile ist nur noch ein Viertel der märkischen Eichen kerngesund – ist auch für die Forstleute nur die eine traurige Konsequenz. Die Gefahren für den Menschen wiegen noch schwerer. Die Gesundheitsbehörden müssten viel mehr Druck machen, fordert Katrin Möller. „Das Toxin in den Brennhaaren ist über Jahre aktiv“, erläutert sie, „und die Leute reagieren immer empfindlicher darauf“.
So wie Regina Reister. Eine flächendeckende biologische Behandlung des Waldes auch vor ihrer Haustür fände sie in Ordnung. „Man kann ja für die Zeit woanders hinfahren“, sagt sie. Dann wäre wenigstens der nächste Sommer am Schwielowsee für ihre Familie gerettet.
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