KulTOUR: Anlass genug, fröhlich zu sein
Ausgewogenes Programm zum Nudower Jubiläum
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Nuthetal - Fragte eine ortsfremde Radfahrerin doch jüngst den zu Fuß gehenden Bewohner Nudows nach dem Gemeindehaus, dort sei doch die Ausstellung zum Ortsjubiläum „1359-2009“. Nachdem Auskunft gegeben war, lobte die Dame mit ihrem alten Veloziped das fröhlich herausgeputzte Dorf, schon am Ortseingang spüre man das. Naja, 650 Jahre Nudow und 275 Jahre Friderizianische Kronkirche sind ja auch kein Pappenstiel. Seit anderthalb Jahren war das Festkomitee um Thomas Engelhardt beschäftigt, alles einzufädeln, beispielsweise den Aufruf an die Alteingesessenen, unterm Dach nach ortsbezogenen Dokumenten zu suchen. Heraus kam eine verblüffend lebendige Schau: Die Motorwaschmaschine von 1930, Aufsteller mit vergrauten Fotografien, eine Schulaufsatzsammlung von 1950 zur Ortsgeschichte – bis zum Hochzeitsfrack ist das alte Nudow waschecht vertreten. Sogar die Windmühle gab noch etwas her.
Draußen wird der Wandersmann durch Schilder auf historische Häuser hingewiesen: der „Storchenhof“ fast antik, die alte Bäckerei seit 1913, die einstige Schule für fünfzig Schüler: Lehrer Schlegel monierte schon 1873, dass „hiesige Klassenverhältnisse ungesund“ seien. Letztes Wochenende gab es das Offizielle, Bischof Huber kam zum Festgottesdienst, dazu ein paar Puderköppe, auch ein ungewisser König aus Potsdam, der historische Umzug wurde nur durch die Extratour eines benachbarten Postkutschers getrübt.
Am Dienstag öffneten viele dieser extrem großen Bauernhöfe ihre Türen, wer hätte nicht mitmachen wollen beim gutbesuchten Flohmarkt? Alte Bücher, Spiele, Audiokassetten, die Rotte gebrauchter Kaffeekannen, eine kleine Prinzessin verkaufte ihre Lieblingspuppen aus Sehnsucht nach dem ersten Computer. Überall Leben, überall der Wille mitzumachen, sei es nur, einen Kuchen für das großen Entree in den Ofen zu schieben, die graue Mauer zur Straße mit einer Girlande, einen Strauch im heckenbewehrten Neubaugebiet gen Saarmund mit bunten Bändern zu schmücken.
Es war, als hätte sich der „Genius loci“ in dieser Festwoche sichtbar gemacht. Die Extra-Ausstellung in der Kirche von Ingo Kuchel (vier Ansichten vom Dorf) wird über die Woche von freundlichen Nudowerinnen betreut, bevor die „obligatorische“ im August eröffnet, der alte Gasthof zum Kulturhaus umfunktioniert, darin man die Ex-Postbotin Jutta Stiel als talentierte Malerin entdeckte, Berlins „Boten“ am Mittwoch mit „Erziehung der Engel“ erstmals Theater ins Straßendorf brachten, und ein textilenes Zeugnis auf Nudows Radfahrverein verwies: „All Heil“ radelte von 1902 bis 1923.
Nachlesen kann man das in der nagelneuen Orts- und Jubiläumschronik. Dort hätte auch der am Rande aufgeschnappte Satz „So viele Pferde, aber nicht eine Kuh im Dorf!“ stehen können. Dergestalt also bietet Nudow ein ausgewogenes Festprogramm, von Jazz bis Orgelkonzert, von Ausstellungen bis zum Kinder- und Dorf-Fest am Sonnabend, wo man „Die Boten“ noch einmal mit „Kikerikiste“ erleben kann. Wie sprach Thomas Engelhardt, der Mann mit Übersicht: Ob offiziell oder kulturell, Nudow habe Anlass genug, fröhlich zu sein. Gerold Paul
Gerold Paul
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