Von Thomas Lähns: Apfelbrand aus Meisterhand
Auf Schultzens Siedlerhof wird der Edel-Obstler des Jahres produziert – demnächst gibt es auch Whisky
Stand:
Werder (Havel) – Erstaunlich, wie viel Werder in ein Schnapsglas passt: Ein Wässerchen, so klar wie ein Morgen an der Havel. Beim Proberiechen steigt der Duft von frischen Äpfeln in die Nase. Mild legt sich der edle Elstar auf die Zunge – erst wenn er den Rachen hinunter rinnt, verspürt man ein raues Kitzeln. Und wie bei einem Inselsommer steigt einem sofort die Wärme in die Waden. Michael Schulz schließt einen Moment die Augen und genießt sein Erzeugnis. In Gedanken begleitet er die Äpfel noch einmal auf ihrem Weg vom Baum über die Destille in die Flasche – und dann hinauf aufs Siegertreppchen. Schultzens Apfelbrand ist vor kurzem als Edelbrand des Jahres 2010 prämiert worden und hat damit Weltgeltung erlangt. Zwischen 60 internationalen Bewerbern um diesen Titel hat sich die Jury auf der Destillata in Österreich für Werder entschieden.
Der Junior-Chef von Schultzens Siedlerhof in Glindow hat damit für eine Sensation gesorgt: Langjährige Profi-Brenner aus traditionellen Obstler-Gebieten wie Baden-Württemberg oder Tirol hat der Werderaner mit seinem Elstar ausgestochen – und das, obwohl er selbst erst seit wenigen Jahren Hochprozentigen produziert. 2004 hat er seine Privatbrennerei als Teil des Familienbetriebes eröffnet, zuvor eine Ausbildung zum Brenner abgelegt. Seit dem veredelt er die verschiedensten Zwetschgen-, Birnen-, Kirsch-, Apfel- und weitere Sorten. Unermüdlich hat Schultz an seinen Produkten gefeilt und überlegt, wie er sie verbessern kann.
Michael Schultz ist Perfektionist – das merkt man, wenn er von seiner Arbeit erzählt. Auf dem 65 Hektar großen Familienbetrieb mit Hofladen und Restaurant ist der gelernte Gartenbaumeister für Anbau, Pflege und Ernte von Obst und Gemüse zuständig. Und weniger schmackhafte Jahrgänge, berichtet er, lässt er lieber vom Baum fallen, als sie seinen Kunden zu kredenzen. Dabei kommen mittlerweile nur noch 40 Prozent in den Direktverkauf, alles andere wird weiterverarbeitet: Zu fruchtigen Obstweinen, Säften, zu 10 verschiedenen Likören und 25 Bränden. Und von denen ist nicht nur der Elstar meisterlich: Seit drei Jahren räumen Schultzens regelmäßig auf der Destillata die Medaillen ab. Allein in diesem Jahr sind 19 von 20 Sorten aus Werder prämiert worden. Silber gab es zum Beispiel für die Birnen-Kreation „Elisabeth“ - eine hochprozentige Hommage an Glindows Elisabethhöhe, auf der sich Schultzens Siedlerhof befindet. Insgesamt 1600 Erzeugnisse von über 180 Produzenten aus 15 Nationen von Südafrika über die USA bis nach Europa sind dabei in verschiedenen Kategorien beurteilt worden.
Drei Faktoren sind ausschlaggebend für die Qualität der Brände, erläutert Michael Schultz: Erstens müsse man genau abwägen, wann das Obst reif ist. Bei Schultzens werden die Bäume stärker beschnitten, damit mehr Sonne an die Früchte kommt. „Es geht um Qualität, nicht um Masse“, sagt der Junior-Chef. Und so würde er mittlerweile auch wieder gemischte Plantagen anlegen – so wie es die Großeltern bis in die 1960er Jahre getan haben. Diese Anbaumethode senkt auch die Anfälligkeit für Schädlinge, erläutert der Obstbauer. Zweitens spiele die Qualifizierung der Erntehelfer eine Rolle. Obwohl in diesem Jahr der Bundeszuschuss für deutsche Kräfte weg fällt, hält Schultz an ihnen fest. „Ich muss genau erklären können, an welcher Ecke des Baumes die reifen Früchte hängen“, sagt er. Und so gebe er eben mehr Geld für seine 15 Erntehelfer aus als andere. Drittens ist auch bei der Veredelung Geschick gefragt. Das Obst wird gewaschen, entkernt, passiert und das Fruchtmark schließlich vergoren und destilliert. „Dann muss man es reifen lassen“, sagt Schultz. Und wie bei einem guten Wein könne man dann sogar den Jahrgang erschmecken. Gezielt würden Kunden nach bestimmten Jahrgängen fragen, um besondere Erlebnisse noch einmal geschmacklich Revue passieren zu lassen.
Trotz des Erfolges beim internationalen Wettbewerb will Michael Schultz seine Produktion nicht erweitern. „Ich sehe es mehr als Ansporn, die Qualität der anderen Brände zu verbessern“, sagt er. Er will auch den Preis pro Flasche nicht erhöhen, sondern den jetzigen von 15 bis 25 Euro je nach Sorte „mit den Auszeichnungen rechtfertigen“. Sein Ziel: Gesamtsieger bei der Destillata zu werden. Immerhin: Bereits im zweiten Jahr ist er mit seinen Sorten unter die Top Ten der deutschen Bewerber gekommen. Aber ein bisschen geht noch, findet Schultz.
Die Qualitätsprobe am Ende jedes Brenn- und Lagervorganges ist übrigens Familiensache. „Er lässt uns aber erst kosten, wenn es seiner Meinung nach perfekt ist“, berichtet Mutter Renate Schultz. Besteht beim Probieren nicht die Gefahr, dass man zu oft angeheitert ist? Nein, unterstreicht sie, „da muss man klare Regeln setzen“. Die besagen zum Beispiel, dass man erst auf die Uhr und dann ins Glas schaut – also nicht schon vormittags eine Probe zieht. Und so viel werde beim Edelbrand auch nicht verkostet, sagt Michael Schultz. Schließlich geht es um den Geschmack und nicht den Rausch. Einen ganzen Abend könne man mit einem einzigen Glas zubringen, „über einem Buch, ab und zu mal schnuppern, und dann in kleinen Schlücken genießen“. So hat hier auch niemand eine rote Nase. Und die Fröhlichkeit der Schultzens, zeigt sich, ist einfach pures Glindower Naturell.
Der Habitus der Verkostung erinnert stark an den des Whisky-Trinkens. Und auch den brennt Michael Schulz seit zwei Jahren selbst. 2008 hat er die ersten vom Böttcher gebauten oder restaurierten Fässer mit einem Destillat aus eigenem Roggen abgefüllt. Allein das ist schon eine Besonderheit, denn Grain-Whisky wird normalerweise aus Gerste gewonnen. 2011 können die ersten Flaschen abgefüllt werden, aber schon vorab reicht Michael Schultz eine Probe rüber, die beweist, dass sich der Geschmack der schottischen Highlands durchaus auch auf der Elisabethhöhe einfangen lässt.
In den kommenden Wochen steht aber wieder ein ganz anderes Getränk hoch im Kurs: Werderaner Obstwein, den die Schultzens zurzeit verstärkt fürs Blütenfest abfüllen. Unter anderem Erdbeer-, Himbeer, Kirsch-, Schlehen- und Apfelwein wollen sie auch in diesem Jahr wieder ihren Gästen anbieten – zu frischem Spargel vor Ort im Hofrestaurant, das täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet hat, oder unten in der Stadt. Vorab gibt es den Wein schon beim Tulpenfest am 17. und 18. April in Potsdam. In der Blütenwoche dürfte es indes wieder etwas turbulenter auf dem Siedlerhof zugehen. Aber wem das zu viel wird, der kann sich mit einem Gläschen Meisterbrand zurückziehen – und mit dem Gaumen auf Entdeckungstour durch Werder gehen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: