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Potsdam-Mittelmark: Aufschwung mit den Schweizern

Ortschronist Markus Vette präsentierte den sechsten Band zur Geschichte der Insel Töplitz

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Werder · Töplitz - Unter Historikern ist der Passus „aus der Geschichte lernen“ nicht sonderlich beliebt. Auch der Töplitzer Ortschronist Markus Vette mag ihn nicht sehr. Trotzdem konnte er sich jüngst bei der Präsentation seines sechsten Bandes über die Historie seines Ortes nicht davon losmachen, ein paar „Lehren“ aus der Besiedlung des Golmer Luchs durch Schweizer Meier mitzuteilen.

Formal, so schreibt der Potsdamer Hochschullehrer und „Hobby-Histor“ in „Die Schweizer Gemeinde Nattwerder als wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bereicherung für die Insel Töplitz“, begann die Einwanderung von Familien auf vertraglicher Grundlage zwischen dem Großen Kurfürsten und der „Republik Bern“ 1685. Die Voraussetzungen aber hatte schon Friedrich Wilhelms Großvater, Johann Sigismund, 1613 mit dem „politischen Recht“ geschaffen, wonach es „unrecht sei, wenn die Obrigkeit sich anmaßen“ würde, „in die Freiheit des Gewissens“ ihrer Untertanen einzugreifen.

Die Ansiedlung von schwyzzer Melkern und Viehzüchtern im sumpfigen Bruch von Golm, später „Schweizerluch“ genannt, sollte Brandenburg nach dem 30-Jährigen Krieg wieder auf die Beine helfen, schließlich handelte es sich um von Bern selbst ausgewählte Spezialisten. Religionsgeschichtlich ein pikantes Ding, die Stadtrepublik verhandelte mit dem absolutistischen Kurfürsten in calvinistisch-republikanischem Einvernehmen, während sich die „Repräsentanten der Schweiz“ in lutherisches Land begaben.

Solche Vereinbarungen waren damals „völkerrechtliche“ Außenpolitik. Sicherheitshalber ließ sich der Brandenburger (selbst Herr über eine Schweizer Garde) von Albrecht Bauernkönig, dem Abgesandten Berns, über die aktuelle Konfessionslage des Alpenlandes auf dem laufenden halten, in Geheimschrift!

Um die Kultivierung des Golmer Luchs zu forcieren, bekamen die ausländischen Siedler einen günstigen Vertrag auf 30 Jahre, aber der Boden war schlecht, die Zugezogenen eher arm. Als die Obrigkeit die Konditionen vor Ablauf dieser Zeit kündigen wollte, wehrten man sich mit Erfolg. Viele wichen wegen des begrenzten Areals nach Golm, Leest und Göttin aus. Ihre gemeinsame Heimat blieb lange die 1690 selbsterbaute „Friedensreichkirche“ in Nattwerder, und so wimmelt es in Vettes „Heimatbuch“ von Histörchen und Schnurren um die damals von Bern her bestellte Geistlichkeit, von Kirchen-Geschichten.

Die Luthersche Konkurrenz erhielt sogar den königlichen Befehl, „nicht gegen die Reformierten zu predigen“. Aus Sparsamkeitsgründen werden beide Gemeinden, wie aktuell, 1832 zusammengeführt. Getreu ihrer reformierten Konfession machten die Schweizer (anders die Lutheraner) keinen Unterschied zwischen Glauben und Leben, ihr politisches und gesellschaftliches Engagement war direkt, es zeigte sich beim Aushandeln von Belehnungen, Weide- oder Fischereirechten genauso wie beim Bau von Häusern und Kirchen. Die Einnahmen für den Staat blieben mager, bis das alte Erbpachtverhältnis um 1840 beendet und die Schweizer das Land als Familien-Eigentum bekamen, was bis zur Bodenreform 1952 so blieb. Jetzt schnellte Töplitzens „Wirtschaftskraft“ wunderlich in die Höhe.

Für das sechsteilige Werk wurde Vette zwar vom Ortsbeirat mit einer Urkunde beehrt, dass man ihn aber noch immer als „Zugezogenen“ anspricht, lässt Rückschlüsse auf das Schweizer Befinden vor dreihundert Jahren zu. Das Buch endet mit der Gegenwart, übergreifende Projekte sind geplant. Sein Fazit: „Unser Erbe der Schweizer ist Neutöplitz!“

Eugenia Verlag Markus Vette, 2007

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