Potsdam-Mittelmark: Aus eigener Tasche
Chancen und Gefahren des selbstfinanzierten Straßenausbau am Saarmunder Beispiel
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Chancen und Gefahren des selbstfinanzierten Straßenausbau am Saarmunder Beispiel Von Thomas Lähns Nuthetal. Sollen Bürger in Zukunft bezahlen, was die Kommune nicht mehr leisten kann? Im diesjährigen Haushalt der Gemeinde Nuthetal sind bis auf den Ausbau der Anna-Seghers-Straße keine Straßenbaumaßnahmen mehr vorgesehen, obwohl die Bürger auch an anderen Stellen dringenden Sanierungsbedarf sehen. Es fehlt am Geld. Im vergangenen Jahr ergriffen Anwohner der Saarmunder Waldkolonie selbst die Initiative und nahmen den Bau einer Anliegerstraße in die eigene Hand. Pläne wurden entworfen, eine Firma beauftragt und Geld gesammelt, das damalige Amt Rehbrücke trat nur noch als Bauherr auf. Ein Modell für ganz Nuthetal? Vielleicht sogar für alle Gemeinden in Brandenburg? Mit einer Bürgerversammlung am Mittwochabend wollte der SPD-Ortsverein die Möglichkeiten des selbstfinanzierten Straßenbaus ausloten und entdeckte darin eine echte Chance. Seit 1995 wohnt der Diplom-Ingenieur Rainer Haßmann in der Waldkolonie. „Die Wege dort waren damals schon schlecht, aber das Amt hatte dafür keine Priorität vorgesehen", erinnerte er sich. Im vergangenen Jahr hatte er sich beim Amt Unterstützung für eigene Vorschläge der Anwohner gesichert und das Pilotprojekt in die Wege geleitet. Der Bauingenieur erarbeitete mehrere Varianten und stellte sie seinen Nachbarn vor. Schließlich hatten sich alle auf eine drei bis vier Meter breite Asphaltstraße geeinigt. Eine Firma war bald gefunden, auf eine Ausschreibung konnte – weil privatfinanziert – verzichtet werden. Ein Erschließungsvertrag zwischen Amt und Anwohnern sorgte für den rechtlichen Rahmen. Die Kosten beliefen sich laut Haßmann auf insgesamt 108 000 Euro, die Summe wurde unter den Nachbarn aufgeteilt, auf jeden entfielen zirka 4000 Euro. Im Preis inbegriffen waren auch die Zufahrten und eine Straßenbeleuchtung. So günstig hätte die öffentliche Hand in den Augen des Experten nicht bauen können. „Wir hatten sehr günstige Bedingungen", räumte er ein. Es habe keine Extras wie Gehwege gegeben, und durch die Finanzierung aus den eigenen Portemonnaies konnte privatwirtschaftlich verhandelt werden. Zudem mussten Wasser-, Abwasser und Stromleitungen nicht neu verlegt werden. Haßmanns Bau-Geschichte sorgte für Staunen und Anerkennung zugleich, immerhin schaffte er es, 29 Nachbarn zur Zusammenarbeit zu bewegen. „Hut ab vor dem, was sie geschafft haben", lobte Hans-Joachim Fricke, ehemaliger Direktor des Amtes Lebus. Er trat am Mittwochabend als Kommunalrechts-Experte auf, musste aber die Euphorie der Anwesenden etwas zügeln. Die Saarmunder haben eine Erschließung vorgenommen – juristisch gesehen sei das etwas völlig anderes, als ein Ausbau. Ein privatfinanzierter Ausbau wäre nicht möglich gewesen, denn in diesem Falle sei die Gemeinde verpflichtet, einen eigenen Anteil zu tragen. Und eben dieser käme für die meisten Straßen in Nuthetal und den Nachbargemeinden in Frage. Der Gedanke, den Ausbau der Straße vor dem eigenen Grundstück selbst in die Hand zu nehmen, sei nicht neu, erläuterte Fricke. Im Dezember vergangenen Jahres habe die Landesregierung jedoch auch hier die Möglichkeit eingeräumt, die Finanzierungspflicht der Gemeinde mit einem Vertrag zu umgehen. Der Weg wäre also frei. Fricke mahnte aber zur Vorsicht: „Die Gemeinde ist und bleibt für den Straßenbau verantwortlich." Wenn sich Nachbarn tatsächlich einigen, müssen sie auf jeden Fall Rücksprache mit der Gemeindevertretung halten. Auch die Verteilung der Kosten könnte zu Komplikationen führen, hier schlug Fricke vor, sich an die Staßenausbau-Beitragssatzung der Gemeinde zu halten. Und ob der selbstfinanzierte Ausbau günstiger sei als der öffentliche, sei zu bezweifeln. Im Gegensatz zu einer Erschließung – hier werden generell 90 Prozent auf die Anwohner umgelegt – seien es beim Ausbau einer Anliegerstraße 75. Bei der Geldnot der Kommunen sieht Fricke die Gefahr, dass Initiativen wie die Saarmunder zur Gewohnheit werden könnten. „Am Ende werden für den Straßenbau gar keine Mittel mehr in die Haushalte eingestellt." Dem pflichtete auch Gerhard Kruspe bei. Er sitzt für die SPD in der Gemeindevertretung und leitet den Ortsentwicklungsausschuss. Am Ende werden nur noch die Straßen ausgebaut, in denen Besserverdienende leben. „Wir dürfen die soziale Komponente nicht vergessen, mahnte Kruspe." Trotz allem: Der selbstfinanzierte Straßenbau scheint den Sozialdemokraten entwicklungsfähig, sofern man alle Seiten unter einen Hut bekommt. Auch ist das Interesse der Bürger sehr groß – der Raum im Gasthaus Rehbrücke war so prall gefüllt, dass selbst der Wirt vor der Menge kapitulieren musste. Das Publikum war zum Teil sogar aus Teltow angereist, andere gaben sich als Anwohner der Rehbrücker Feldstraße zu erkennen - hier wartet man seit Jahren auf eine Sanierung und auch 2004 musste der Ausbau aus dem Gemeindeetat gestrichen werden.
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