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Bedroht. Mit dem Mindestlohn könnte sich die Erdbeerernte nicht mehr lohnen.

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Potsdam-Mittelmark: Bauern hoffen auf neue Förderprogramme

Der Mindestlohn von 8,50 Euro könnte die Vielfalt im Werderaner Obstbau einschränken

Von Enrico Bellin

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Werder (Havel) - Die Werderaner Bauern hoffen auf neue Förderprogramme, um Mehrkosten durch die geplante Einführung des Mindestlohnes abzufedern. Das ist das Ergebnis einer Gesprächsrunde zwischen Bauern, dem Gartenbauverband Berlin-Brandenburg und der Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein (SPD) am gestrigen Dienstag auf dem Plessower Hof von Stefan Lindicke.

„Wir brauchen gezielte Maßnahmen wie die Förderung der Anschaffung neuer Beregnungsanlagen“, so Obst- und Gemüsebauer Manfred Seidel. Derzeit gebe es keine Förderprogramme, von denen sein Betrieb profitiere. Deshalb habe er sein Sortiment umstellen müssen und den Gemüseanbau auf wenige ertragreiche Sorten wie Zucchini und Sellerie beschränkt. Da der Gemüseanbau sehr arbeitsaufwendig ist, seien die Lohnkosten für andere Sorten wie Radieschen bereits jetzt nicht mehr zu finanzieren. „Die Leute, die hier arbeiten, müssen ja auch ordentlich bezahlt werden“, so Seidel.

Seinen fest angestellten Mitarbeitern zahle er bereits den Mindestlohn, für die polnischen Saisonarbeiter sei das jedoch nicht zu leisten. Die bekommen jetzt bei der Erdbeerernte 20 Cent für jede volle 500-Gramm-Schale und kämen damit auf einen Stundenlohn zwischen fünf und sieben Euro. Auf dem Berliner Großmarkt erhalte Seidel an schlechten Tagen, wenn viele Erdbeeren angeboten werden, selbst nur 20 Cent für die Schale. Dazu kommt noch, dass er die Verpackung für die Früchte selbst bezahlen muss.

Obstbaubetriebe wie der von Manfred Seidel müssen den Plänen der Bundesregierung zufolge erst ab 2017 den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bezahlen, da sie Mitglied im Gartenbauverband sind und für sie derzeit ein eigener Tarifvertrag gilt. Bauern, die keine Verbandsmitglieder sind, müssen schon ab kommendem Jahr den Mindestlohn zahlen.

„Der Mindestlohn wird zur weiteren Spezialisierung der Betriebe auf wenige Sorten führen“, ist sich Obstbauer Stefan Lindicke sicher. Nur so könne man den Arbeitsaufwand in Grenzen halten. Viele kleinere Betriebe werden es sich nicht mehr leisten können, arbeitsintensive Pflanzen wie Erdbeeren anzubauen. „Auch wenn jeder Betrieb den Mindestlohn zahlen muss, glaube ich nicht, dass die Preise weit genug steigen, um die höheren Produktionskosten abzufangen“, so Lindicke.

Laut Andreas Jende, Geschäftsführer des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg, bringt der Mindestlohn seine Branche stärker unter Druck als andere Gewerbe. „Auch in Jahren ohne Ertrag müssen die Betriebe ja ihre Anlagen weiter pflegen, wenn sie später noch etwas ernten wollen.“ Im Gegensatz zu großen Landwirtschaftsbetrieben, bei denen ein Großteil der Arbeit maschinell erledigt werden kann, treffe der Mindestlohn die regionalen Obst- und Gemüsebauern besonders hart.

Andrea Wicklein will die Ergebnisse des Gespräches an ihre Kollegen der entsprechenden Fachgremien weiterleiten. „Derzeit wird eine Richtlinie für Agrar- und Küstenschutz überarbeitet, vielleicht bekommen wir da eine Förderung hin“, so Wicklein. Außerdem wolle die Bundesregierung ab Herbst ein Programm auflegen, mit dem auch die Werderaner Obstbauern Lohnkostenzuschüsse erhalten könnten.

Der von Wicklein angenommene Trend, wonach Mittelmärker für regionale Produkte langfristig mehr Geld ausgeben, kommt Bauer Lindicke zufolge kaum bei den Erzeugern an. „Gefühlt ist für 80 Prozent der Verbraucher noch immer der Preis das entscheidende Kaufkriterium, nicht die Herkunft.“ Die an sich starke Kaufkraft im Landkreis würde daran wenig ändern. Enrico Bellin

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