Potsdam-Mittelmark: Berlin–Leipzig in 32 Stunden
In der Alten Posthalterei in Beelitz erfahren Besucher seit Donnerstag alles über das goldene Zeitalter der Postkutschen
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Beelitz - Zwei Minuten langt dröhnt das Posthorn in der Beelitzer Ortsmitte. Aus der Melodie kann man genau heraushören, dass gleich eine vierspännige Kutsche aus Leipzig vorfahren wird. Der Postmeister öffnet das Tor der Relaisstation, in der die Pferde gewechselt werden. In der Schenke stellt man sich auf Gäste ein. Reisealltag anno 1789.
Seit Donnerstagabend schallt das Posthorn wieder, allerdings aus dem Kopfhörer der neuen Ausstellung „Reisegelegenheit nach Sachsen – Erfahrbare Nachbarschaft“ in den Räumen der Alten Posthalterei. In einer Vitrine mitten im ersten Ausstellungsraum sind echte Posthörner ausgestellt. „Dieser erste Raum beschreibt die Arbeit bei der Post“, sagt Museumsleiter Manfred Fließ. Eine Wand des Raumes ist komplett mit einer vergrößerten Landkarte aus dem Jahr 1834 bestückt, die detailliert aufzeigt, wie Postwege in dieser Zeit verliefen und wo Marktflecken und Poststationen waren. „Die detailreiche Karte half den Postbeamten dabei, die Wege von Briefen und Reisenden zu ermitteln“, so Fließ.
Wie ein Spinnennetz gehen die Wege auf der Karte von Beelitz aus in alle Himmelsrichtungen. Der Hauptweg der Postkutschen war der heutigen B 2 ähnlich von Leipzig nach Berlin, daneben gab es lokale Routen nach Brandenburg (Havel), Groß Kreutz, Saarmund oder Zossen. Über Jüterbog und Meißen wurde selbst Dresden mit Beelitz verbunden. Für Museumsleiter Fließ ist die Karte der absolute Höhepunkt der Ausstellung, die in das Themenjahr „Szenen einer Nachbarschaft“ von Kulturland Brandenburg eingebettet ist. Bis Oktober wird die aus 25 Teilen bestehende Originalkarte in einem Kasten vor der Vergrößerung zu sehen sein. Länger geht es nicht, da das historische Dokument vor Lichteinfall geschützt werden soll.
Vom ersten Ausstellungsraum geht es in einen dunklen Gang, an dessen Wänden man Skizzen über das Reisen von Wilhelm Busch und historische Ansichten von Postgebäuden der Umgebung durch eine beleuchtete Lupe betrachten kann. Im zweiten Ausstellungsraum wird das Reisen aus der Sicht der Fahrgäste beleuchtet. Aus dem Lautsprecher klingt die knorrige Stimme des Schauspielers Herbert Köfer, der aus einem Taschenbuch für Reisende Tipps zum Fahren mit der Postkutsche gibt.
Ausreichend Sitzfleisch brauchte man für Fahrten im 18. und 19. Jahrhundert. Eine Fahrt von Berlin nach Leipzig dauerte insgesamt 32 Stunden. „Viele Reisende aus Berlin haben in Beelitz bereits die erste große Pause eingelegt, um sich für die Weiterfahrt auszuruhen“, so Fließ. Das normale Volk hatte keine Zeit für lange Reisen. Es waren vor allem Künstler, die von 1789 bis 1874 als Besucher der Poststation in Erinnerung blieben. Ob Mozart, Bach, Goethe oder Schiller: Alle pausierten sie in Beelitz. Dass das Gebäude und das Personal dabei nicht immer gut gepflegt war, lässt ein Zitat von Heinrich Heine über der Ausgangstür erahnen: „Das Posthaus, einst lachend weiß, hatte sich ebenso wie seine Wirtin verändert, es war krankhaft vergilbt, und die Mauern hatten tiefe Risse bekommen.“
Auch zu Beginn dieses Jahrhunderts war das Haus heruntergekommen, bis man 2008 mit der Renovierung der Fassade und 2010 mit der Sanierung der Innenräume begann. Neben den beiden Ausstellungsräumen erstrahlen nun auch die Räume im ersten Stockwerk in neuem Glanz, hier ist derzeit eine Sonderausstellung zu historisch bedeutsamen Poststraßen zu sehen. „Im kommenden Jahr werden wir hier dann eine kleine Ausstellung zu Beelitz machen“, so Bürgermeister Bernhard Knuth (Bürgerbündnis).
In den kommenden Jahren soll in noch unsanierten Räumen der Posthalterei ein eigenes Heimatmuseum der Spargelstadt entstehen. Einen Zeitplan kann Knuth noch nicht nennen, jetzt müsse erst einmal die erste Ausstellung gut anlaufen. 25 000 Euro wurde in die Ausstattung der Räume investiert, wovon der Landkreis sowie Kulturland Brandenburg je 4 000 Euro übernahmen. Die Schau soll nun mehrere Jahre zu sehen sein und weiter wachsen. In den Räumen der Bibliothek, die direkt gegenüber liegt, soll eine Passagierstube eingerichtet werden. Hier will Manfred Fließ die Kosten und Anlässe von Reisen veranschaulichen.
Angedacht ist auch, Touristen das Reisegefühl des 18. Jahrhunderts nicht nur theoretisch zu vermitteln: Wenn in einigen Jahren in Potsdam die Alte Post wiederaufgebaut ist, könnten zu besonderen Anlässen Kutschfahrten zwischen beiden Stationen organisiert werden. Bereits jetzt arbeitet die Stadt mit den „Titanen der Rennbahn“ aus Brück zusammen, die Fahrten in historischen Kutschen anbieten.
Die Ausstellung in der Alten Posthalterei ist bis Oktober Dienstag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr sowie Freitag bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet drei Euro.
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