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Potsdam-Mittelmark: Besser als immer nur auf dem Papier

Kleinmachnower Schüler des Weinberg-Gymnasiums organisieren ihren Unterricht selbst

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Kleinmachnow - Niklas, Victor und Benjamin vom Weinberg-Gymnasium in Kleinmachnow haben alles organisiert. Gegen 11.30 Uhr am Freitag trudeln sie gemeinsam mit ihren Mitschülern und Technik-Lehrer Marcel Miserius am Niedrigenergiehaus ein. Praktischer Unterricht zum Thema Energieeffizienz, freut sich Lehrer Miserius. „Das ist besser, als alles immer nur auf dem Papier zu haben“, fügt Benjamin hinzu. Lehrer Miserius ist sichtlich zufrieden mit seinen Schülern. Immerhin sei es ihre Idee und ihr eigenes Engagement gewesen, diese Exkursion durchzuführen, so Miserius.

Derzeit entbrennt eine Debatte um das Bildungssystem in Deutschland, losgetreten wurde sie durch einen Tweet der Kölner Schülerin Naina K., der sich in Windeseile im Internet verbreitete. Die 17-jährige Schülerin twitterte vor zwei Wochen: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Plötzlich diskutieren Lehrerverbände, Politiker und die Medien über Unterrichtsinhalte und die Frage, ob die Schule junge Menschen wirklich auf das Leben vorbereite oder nicht. Sogar bis in Günther Jauchs Talk-Sendung hat Naina K. es geschafft.

„Ich finde es sehr positiv, dass Naina diese Debatte angestoßen hat“, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Laut Deutschem Lehrerverband müsse ein gewisses Maß an Alltagstauglichkeit in der Familie vermittelt werden. Ähnlich sieht das auch Lehrer Miserius. Mit seiner Art des Unterrichts wolle er der Kritik entgegentreten. „Ich will die Schüler sensibilisieren, sie sollen selbst mit Ideen starten und sie anschließend auch durchführen“, sagt Miserius. Er erlebe oft, dass sich die Schüler plötzlich für ein vermeintlich uninteressantes Thema begeisterten, sobald sie den Unterricht dazu selbst gestalteten. „Es herrscht ein positiver Druck, der ihre Kompetenzen stärkt“, sagt Miserius. Durch die eigenverantwortliche Arbeitsweise lernten sie, Verantwortung für den Inhalt des Unterrichts, aber auch für die anderen Mitschüler zu übernehmen, so Miserius weiter. Da gehe es auch um ganz banale Dinge, wie etwa die Frage, wo sich die Mitschüler zur Exkursion treffen sollen.

Nachdem sich Niklas, Victor und Benjamin auf ein Niedrigenergiehaus als Exkursionsziel geeinigt hatten, musste das noch gefunden werden. Nach einigen Absagen war die Firma Huf Haus bereit, die Schüler durch das Musterhaus in Kleinmachnow zu führen. Einen Haken hatte das Haus jedoch – es ist bereits zwölf Jahre alt. Viele Techniken für die Energieeffizienz seien heute kein Standard mehr, sagt Hannelore Dittmar, die die Klasse durch das Haus führt.

Den vermeintlichen Nachteil wandeln die Schüler des Weinberg-Gymnasiums in einen Vorteil um. „Jetzt wissen wir, dass der Heizungsraum heute nur noch halb so groß wäre“, sagt Niklas.

Wenn es nach Miserius ginge, könnten auch andere Fachbereiche ab und zu weg vom Frontalunterricht. „Sicher, im Fach Technik ist es vielleicht einfacher, so etwas zu tun, als in Mathe.“ Allerdings gebe es in einigen Bereichen Schüler, so Miserius, die mehr oder spezielleres Wissen besäßen als der Lehrer. Warum solle der Lehrer seine Kompetenz in diesem Fall nicht auch mal abgeben, fragt sich Miserius.

Die Kritik der Kölner Schülerin am Bildungssystem scheint, zumindest zum Teil, an der Realität vorbei zu gehen. Es gebe zwar den Rahmenlehrplan, der vorschreibe, welche Inhalte vermittelt werden müssen, so der Techniklehrer. Das bedeute aber nicht, dass der Unterricht kreativ gestaltet werden könne. Problematisch ist Miserius zufolge durchaus, dass viele Schüler Probleme haben, über Grenzen hinweg zu denken. Das könne den Übergang von der Schule zur Universität oder in die Ausbildung erschweren. „Es ist ein Problem dieser Generation“, glaubt Miserius. Hier sei nicht nur die Schule gefragt, sondern auch das Elternhaus. Björn Stelley (mit dpa)

Björn Stelley (mit dpa)

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