
© Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Besucher aus der Wüste
Teltower Kita bietet Flüchtlingskindern aus der Sahara für zwei Wochen eine behütete Umgebung
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Teltow - Der Teltower Kindergarten „Käferland“ kann sich über besondere Besucher freuen: Seit Anfang der Woche sind in der Einrichtung 20 saharawische Kinder zu Gast. Die Acht- bis Zwölfjährigen sollen hier für 14 Tage dem Alltag in ihrer Heimat – den Flüchtlingscamps in der West-Afrikanischen Wüste – entkommen. In Deutschland genießen die Vertriebenen eine behütete Umgebung: Sie spielen, schlafen, singen, essen und werden von Ärzten behandelt, berichtet Margot Keßler. Die ehemalige SPD-Europaabgeordnete hat den Besuch der Kinder aus Afrika in Teltow bereits zum fünften Mal organisiert – da ihrer Stiftung das Geld ausgehe, könnte es aber das letzte Mal gewesen sein, befürchtet sie jetzt.
„Die Arztbesuche sind enorm wichtig“, sagt Keßler. Die Politikerin reist gemeinsam mit ihrem Tross durch Deutschland. Insgesamt zwei Monate sind die Kinder im Land. Viele gingen hier das erste Mal zum Zahnarzt. Der Allgemeinarzt hätte bei fast allen eine Ohrenentzündung festgestellt – in der West-Sahara sei es oft sehr windig, erklärt Keßler. Die Temperaturwechsel sind dort extrem: An Sommertagen steigen die Temperaturen auf über 55 Grad, in den Nächten werde es kalt. Zum Schutz gibt es nur Zelte oder Lehmhütten.
Schon seit fast 35 Jahren schwelt ein Konflikt in der West-Sahara: Unmittelbar nach dem Rückzug der spanischen Kolonialherren besetzten marokkanische Soldaten das Land und vertrieben die Einwohner. Die Flüchtlinge sammelten sich in der Wüste Algeriens. Das Land bot den Geflohenen eine Bleibe in der Nähe der Wüstenstadt Tindouf an. Die Flüchtlingslager entstanden, eine Exilregierung wurde gebildet. Schätzungen zufolge harren noch heute etwa 165 000 Menschen dort aus, darunter etwa 10 000 Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren. Für sie werden Jahr für Jahr Tausende Reisen nach Europa organisiert.
Der Journalist Khalil El-Haj hat Keßlers Kinder nach Teltow begleitet. Die West-Sahara, sagt er, sei einer der unwirklichsten Orte der Welt: Das Wasser ist knapp, soweit das Auge reicht, gebe es nur Sand. Jeder der kann, versuche der Wüste und den Camps in den Sommermonaten zu entkommen. Da sich die Flüchtlinge keine Reisen leisten können, sind sie auf Hilfsorganisationen oder private Helfer angewiesen. So haben in diesem Jahr etwa 8000 spanische Familien Kinder aus der Sahara für einen Kurzbesuch aufgenommen – wenige Hundert Kinder kamen auch nach Frankreich, Italien oder eben nach Teltow. Für die Kinder sei der Besuch ein Kulturschock, sagt Khalil. Sie sehen hier zum ersten Mal Bäume oder moderne Autos, hier gibt es Spielzeug, Toiletten und Ärzte.
Schon vor Jahren wurde den Flüchtlingen der Weg zurück in die angestammte Heimat vom marokkanischen Staat abgeschnitten. Ein vermienter Sandwall trennt sie von der alten Heimat. Viele Menschen ließen ihr Leben oder verletzten sich bei dem Versuch, den Wall zu überwinden. Diplomatische Versuche den Konflikt zu beenden, sind bislang gescheitert. Zu wenig habe auch die Bundesregierung unternommen, kritisiert Keßler. Deutschland müsse den Druck auf Frankreich erhöhen, das seit 30 Jahren seine schützende Hand über Marokko halte.
Etwa 20 000 Euro benötigt Keßler, um die Kinder nach Deutschland einzuladen. „Der Aufenthalt ist günstig, nur die Flugkosten müssen aufgebracht werden.“ Gemeinsam mit der Hilfsorganisation Salma sammelt sie Geld und Sachspenden. Ist der Urlaub zu Ende, werden die Kinder mit neuem Spielzeug und Kleidern nach Hause geschickt. Ihnen sei die Erholung anzusehen, sagt Keßler. „Ihre Haare sind glatt, die Haut strahlt und sie haben etwa drei Kilo zugenommen.“ So ein Besuch in Deutschland wirke mindestens ein Jahr nach. Tobias Reichelt
Weitere Infos unter
www.salma-online.de
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