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Neuanfang. Nach 19 Jahren hat sich Martin Bindemann entschlossen, zur Evangelischen Kirchengemeinde in Teltow zu wechseln – vor allem hatte er Lust, alte Handlungsmuster zu verlassen und noch mal neue Ideen einzubringen.

© Anne-Kathrin Fischer

Teltow: Bierbrauen mit der Kirche

Diakon Martin Bindemann ist von Kleinmachnow nach Teltow gewechselt – und hat einiges vor.

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Teltow - An vieles muss sich Martin Bindemann noch gewöhnen – zum Beispiel daran, den Schlüssel mitzunehmen, wenn er für Wasserflaschen in den Keller des Gemeindehauses läuft. „Da merken Sie gleich, dass ich noch nicht lange da bin“, ruft er gut gelaunt und verschwindet kurz nach unten, ehe er sich an den Tisch im Küchenraum setzt und erzählt.

Bindemann ist groß gewachsen, schlank und sportlich, er scheint ständig zu lächeln. 19 Jahre lang war er Diakon der Auferstehungs-Kirchengemeinde Kleinmachnow. Zur Evangelischen Kirchengemeinde in Teltow zu wechseln, sei ihm nicht leichtgefallen: „Das, was ich gemacht habe, hab ich auch mit Leib und Seele gemacht“, sagt er. Aber nach fast zwei Jahrzehnten habe er einen neuen Wirkungskreis gebraucht. „Irgendwann kann man sich noch so viel Mühe geben, man hat dann einen eigenen Saft, in dem man schwimmt.“

In Kleinmachnow war der 45-Jährige für den Bereich Kinder- und Jugendarbeit zuständig. In Teltow wird er sich vielmehr um die Kleinen im Kindergartenalter kümmern und die Arbeit mit jungen Erwachsenen leiten. „Ich denke, ich bringe eine optimale Bandbreite an Erfahrungen mit“, sagt Bindemann, der selber drei Kinder im Alter von sechs, neun und 13 Jahren hat. „Und ich habe sehr viele Ideen.“ Seit dem 1. Juli ist er in Teltow. Von einem Ehepaar, das vorher ehrenamtlich mit jungen Leuten ab Mitte 20 zusammengearbeitet hat, übernimmt er die Organisation monatlicher Thementreffen. „Verschiedene Religionen“ war der Oberbegriff eines dieser Treffen, mit der Gruppe besuchte Bindemann dazu das Buddhistische Haus in Friedenau. Als das Thema „Arme“ lautete, fuhren sie ins Stadtkloster Berlin und sahen sich die Arbeit in einer Suppenküche an.

Ein weiterer Schwerpunkt des neuen Diakons wird die Erwachsenenarbeit sein. Lesungen oder gesellige Abende mit Live-Musik plant er, ebenso wie ausgefallene Zusammentreffen. Einen Kochabend für Männer hat er bereits in die Wege geleitet. Was genau am ersten Abend gezaubert wird, verrät er noch nicht, nur so viel: ein vegetarisches Drei-Gänge-Menü. Auf Interesse dürfte bei vielen auch der geplante Bierbraukurs stoßen. „Teltow feiert viel – da passt das“, sagt Bindemann scherzend. Bei den Veranstaltungen gehe es ihm auch darum, eine Regelmäßigkeit herzustellen. „Mir ist wichtig, dass es eine Normalität gibt, zur Kirche zu gehen“, erklärt Bindemann. Dabei müsse man gar nicht gläubig sein, um vorbeizukommen. „Was wir machen, richtet sich an alle – nicht nur an Christen“, betont der Diakon. Die Kirche sei eben auch ein Ort, an dem man Zeit verbringen kann und auf Verständnis trifft.

Bindemann hat seine Ausbildung zum Diakon zu Beginn der 90er-Jahre am Johannesstift in Berlin-Spandau absolviert und startete dann in Kleinmachnow, wo er auch jetzt noch mit seiner Familie lebt. Viele dort assoziieren mit seinem Namen sofort die Stolpersteine, für deren Verlegung er verantwortlich zeichnet. 22 solcher goldfarbenen Gedenksteine, auf denen Namen und Daten von Kleinmachnower NS-Opfern eingraviert sind, gibt es mittlerweile in der Gemeinde. „Das Projekt Stolpersteine werde ich weiterhin machen“, versichert Bindemann. Zwar sei die Nachforschung zu Verfolgten der NS-Diktatur weitgehend abgeschlossen, jedoch werden er und seine Mitstreiter auch in Zukunft der Opfer gedenken und planen verschiedene Ausstellungen.

So hat die Aktionsgruppe aus Mitgliedern der Kirchengemeinde und des Heimatvereins mittlerweile einen großen Kellerraum von einer Biotechnik-Firma zur Verfügung gestellt bekommen – und zwar in dem Gebäude, in dem sich ehemals das Judensammelhaus in Kleinmachnow befand. Eine tolle Anerkennung für ihre Arbeit, findet Bindemann und sagt: „Das ist echt der Hammer.“ Für ein von ihm geleitetes Kirchenmusikprojekt in Kleinmachnow wird der Diakon außerdem weiterhin die Ton- und Lichttechnikarbeiten übernehmen. „Aber jetzt bin ich erst mal voll und ganz dabei, mich hier einzuarbeiten“, sagt Bindemann. Zugutekomme ihm dabei, dass seine Mutter einst Pastorin in der Gemeinde war und er seine neuen Kollegen daher schon lange kennt.

Nicht regelmäßig, aber zu speziellen Anlässen oder Themen wird Bindemann auch an Gottesdiensten beteiligt sein. Die Stadtkirche St. Andreas mit den restaurierten, großen grauen Glocken vorm Eingang, einen kurzen Fußmarsch von den Gemeinderäumen entfernt, ist eines der zwei zur Gemeinde gehörenden Gotteshäuser. Nach einem Schwelbrand wurden der lebensgroße Jesus mittig hinter den Altar gehangen und neue Kronleuchter angebracht, an den Wänden sind alte Inschriften erkennbar, erzählt Bindemann, als er im Innern steht. Er ist sichtlich angetan von der kleinen, gemütlichen Kirche. Nur an den Schlüssel hatte er beim ersten Gang hinüber nicht gedacht. Alles eine Frage der Zeit.

Anne-Kathrin Fischer

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