KulTOUR: Bild gewordene Gedanken
„Petzowpolis – Mythos und Moderne“: Die Künstlergruppe Stilus in der Petzower Kirche
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Werder (Havel) - Auch das gibt es: Völlig freiwillig und ohne finanzielle Hintergedanken schloss sich die Künstlergruppe „Kulturpunkt Stilus“ dem diesjährigen Jahresthema von Kulturland Brandenburg an. Einfach so, aus Sympathie zur Moderne in „Film, Kunst, Baukultur“. Inhaltlich orientierte sich der Verein an der unaufhaltsam wachsenden Bedeutung von Fritz Langs „Metropolis“-Film aus dem Jahr 1926, räumlich-topografisch hielt man sich an Petzows Grelleberg und die Schinkelkirche, dem Ort der Ausstellung. Zu viel Ehre für den kleinen Ort, plötzlich „Petzowpolis“ zu heißen?
Das gute Dutzend bildender und angewandter Künstler aus der Berlin-Brandenburger Speck-Zone fand hinter dem Kürzel „Mythos und Moderne“ zuerst einmal ein paar flotte Floskeln wie „In der Stadt der Zukunft wird die Zukunft der Stadt hinterfragt“, oder es werde „die Individualität in der Urbanität der Megacitys analysiert, die Evolution von Lebensräumen betrachtet“. Ist Klein-Petzowpolis denn wirklich so krude geraten, in der Vergänglichkeit seiner Zukunft? Vielleicht kann man sich bei dem, was Stilus laut Flyer „untersucht, interpretiert und bebildert“ haben will, auf die Formel „Bild gewordene Gedanken“ verständigen. Eine so thematisch orientierte Exposition muss so etwas ja auch einlösen können, schon Petzow zuliebe.
Wer beim scheinbar Einfachsten anfängt, stößt auf einen Hain nur aus Bäumen, von Regina Gronau gemalt und „Zauberwald“ benannt. Daneben die ockerfarbig-verwaschenen Stadt-Landschaften von Ellen Ernst mit metaphorisierenden Titeln wie „Versandet“ oder „Zeitbrücke“. Ihre „Einschiffung von Kithera nach Petzowpolis“ hat nicht nur mehrere Zeitebenen, sondern auch ein surreales Gewand. Wer sich immer noch nicht vom Entwicklungsgedanken lösen kann, wird sich an Dejo Denzers „Zeitreise“ erfreuen, eine großflächige Eisenplatte mit Spuren von Rost, alter Farbe und frischem Mal-Blut. Sie soll von „der Steinzeit“ direkt nach Petzowpolis führen. Ganz „Bild gewordener Gedanke“ ist Thomas Gerdesmanns „Denkmodell Landschaftsstadt“ – so viel Geometrie in spe?
Die andere Seite der „Kulturkirche“ ist etwas weniger aussagekräftig, dafür dem Foto geweiht: Michael Formell war mit einer Camera obscura in der Landschaft unterwegs, Dietrich-Ekhard Gaede versuchte sich in urbanen Mehrfachbelichtungen, Ingo Kuzia nennt seine Arbeiten „Reduzierte Architektur“. Nicht immer leicht, darin „Petzowpolis“ zu schauen, das fehlt ja oftmals gar.
Neben Olaf Kaminskis „Petzow-Police“-Karikatur sind vielleicht noch zwei der Aussteller ganz interessant. Jürgen Rudows fünf Schwarzweiß-Bildtafeln schon deshalb, weil er das gesetzte Thema von der Kritik her beleuchtet. „Urbane Sachlichkeit kann Sinnestäuschung sein“, liest man da als Kommentar, und „die Zwischenwelt der Metropolen ist oft kein Menschenparadies“. Wieso denn „oft“?
Dietmar Steinkamp plagt sich dann gar nicht erst mit Interpretationen des Vorhandenen ab. Behufs mathematischer Methoden entwirft er gleich mal ganz neue „Städte“. Auf einer großen Tafel mit drei mal drei Bildreihen, wahlweise waagerecht und senkrecht zu lesen, zeigt er, welch ungeheuer schöpferische Kräfte in so einer Sinusfunktion stecken können – bis in die achte Potenz. Hier also mal die „Bild gewordene Formel“.
Schinkelkirche Petzow, bis zum 19. November, Sa. und So. 13 bis 17 Uhr
Gerold Paul
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