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Engepässe bei frischen Produkten sind für die ukrainischen Köche ein Problem.

© tsp

Potsdam-Mittelmark: Blick über den Tellerrand

Vor der Fußball-EM besuchen sechs Köche aus dem ukrainischen Lviv einen IHK-Lehrgang in Teltow

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Teltow - Auf einem Teller wird gerade der Tafelspitz angerichtet, während Marina Tucholski in einer großen Pfanne in Scheiben geschnittene Serviettenknödel knusprig brät. Insgesamt arbeiten derzeit zehn Köche in der Lehrküche des IHK-Bildungszentrums in Teltow. Sechs von ihnen sind Spitzenköche aus dem ukrainischen Lviv. Gemeinsam mit vier Mitgliedern der „Regionalmannschaft der Köche Berlin-Brandenburg“ bereiten sie sich hier auf die gastronomischen Herausforderungen vor, die im kommenden Jahr in ihrer Heimat auf sie zukommen: Denn zur Fußball-Europameisterschaft, die 2012 in Polen und der Ukraine stattfindet, werden nicht nur hungrige Sportler, sondern auch viele Touristen in Lviv erwartet.

Ein Woche lang suchen die zehn Köche auf Einladung des Gastroverbands Dehoga und des Ausbildungsverbunds Teltow nun gemeinsam nach der authentischen österreichischen Küche. Sie backen Strudel und Palatschinken und bereiten viele typische Kalbfleischgerichte zu – wie eben heute den Tafelspitz auf Kartoffelsalat. „Die österreichische Küche ist eine Art gemeinsamer Nenner, ihre Einflüsse finden sich sowohl in deutschen, vor allem aber auch in typischen Lviver Gerichten“, erklärte Tucholski. Die Stadt, die heute nahe der polnischen Grenze liegt, gehörte zwischen 1772 und 1818 zu Österreich. „Es ist spannend, hier im Lehrgang zu erleben, wie ähnliche Speisen auf ganz unterschiedliche Art zubereitet werden“, sagt Volker Stoetzner, Projektleiter des deutsch-ukrainischen Partnerschaftprojektes der IHK. Er ist überzeugt, dass vom Blick über den Tellerrand beide Seiten profitieren.

Für Jurii Rudenko, Küchenchef im Hotel Rixos in Truskavez, liegen die Unterschiede zwischen deutscher und ukrainischer Küche auf einem anderen Gebiet: „Die Arbeitsschritte beim Kochen sind überall dieselben. Anders funktionieren hingegen die deutschen Lieferwege, das Einkaufen.“ Diesen Eindruck teilt auch Oksana Zadorozhna. Anders als Rudenko kocht sie nicht in einem Hotel, das über eine eigene Lieferabteilung verfügt.

Für ihr Restaurant, das „Kumpel“, verhandelt sie auch mal direkt mit den Schlachthäusern oder mit privaten Pilzsammlern. „Das größte Problem ist die schwankende Qualität der Produkte“, erzählt sie. Bioprodukte gebe es kaum, vieles müsse aus Westeuropa eingeführt werden. Doch die Lieferkontrollen an der Grenze seien aufwändig, die Bürokratie umständlich. „Bei großer Nachfrage, wie wir sie auch mit der Fußball-EM erwarten, reicht das Angebot der regionalen Händler nicht aus“, fürchtet Jurii Rudenko. Und mit dem Angebot der Großhandelsketten ist der anspruchsvolle Koch nicht immer zufrieden.

Doch Lviv hat sich hohe Ziele gesteckt: „Alle Fußballfans, die in unsere Stadt kommen, sollen zufrieden sein“, so Wardkes Arsumanjan, Vorsitzender des Tourismusausschusses der IHK Lviv. Neben dem Lehrgang für die sechs Restaurantchefs initiierte der Ausschuss deshalb zusammen mit der IHK Leipzig das Projekt „Lviver Gastlichkeit“, ähnlich seinem Brandenburger Vorbild. Die Initiative der Dehoga Brandenburg testet verdeckt Restaurants. Ein ähnliches Projekt hätte auch in Lviv viel Sinn. Ausgehen und gutes Essen gehören dort zur Alltagskultur, dazu kommen immer mehr Touristen: „Bei mir essen schon heute Besucher aus der ganzen Welt“, sagt Rudenko. Ariane Lemme

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