KulTOUR: Butter bei die Fische
Werder (Havel) - Lässt man den Anfangsbuchstaben des Wortes Olive weg, bekommt man ein lebhaftes, neues Wort, wenn auch in einer anderen Sprache. So wird aus der öligen Baumfrucht im Handumdrehen „live“, und das steht bekanntlich in mancherlei Form für energisch, lebhaft, für das Verbum „leben“.
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Werder (Havel) - Lässt man den Anfangsbuchstaben des Wortes Olive weg, bekommt man ein lebhaftes, neues Wort, wenn auch in einer anderen Sprache. So wird aus der öligen Baumfrucht im Handumdrehen „live“, und das steht bekanntlich in mancherlei Form für energisch, lebhaft, für das Verbum „leben“.
Ganz in diesem Sinne will Editha Stürtz-Frase seit 2006 das Credo ihres gleichnamigen Cafés auf Werders Insel verstanden wissen. Es ist geräumig, hat Platz für Ausstellungswillige, bietet Internet, Büchertausch und sogar eine Kollektion von Second-Hand-Artikeln aus England und aus Frankreich für große und für kleine Kinder an. Zur Belebung des eher flauen Herbstgeschäftes in der Kulturstadt Werder kam sie auf die Idee, sich Künstler einzuladen, Musiker meist, aber vereinzelt auch Wortgewaltige wie den alerten Sauerländer Gerd Normann, zuständig für „Kabarett, Literatur und Moderation“, wie es auf seiner Website heißt. Am Freitag wollte er ausgerechnet den aal-verwöhnten Werderanern „Butter bei die Fische“ bringen, live wie die Olive, und dazu Solo, obwohl er zwei Virtuelle dabei hatte, das schnurrige Uralt-Ehepaar Willi und Lisbeth, Untergrenze Eiserne Hochzeit.
Dieses Programm liefert die Fortsetzung ihres tagtäglichen „Ehe-Kabaretts“, wie Normann es im Frühjahr an gleicher Stelle präsentiert hatte. Nun, als Sauerländer vom Dorf mit abgebrochener Polizei-Ausbildung muss er wohl wissen, wie es da, nahe dem Ruhrgebiet, „tickt“. Langsam nämlich in Denken, Sprache und Gestik, wenn man dem Comedy-Mann glauben wollte. Womöglich lag das auch nur am fortgeschrittenen Alter der liebenswerten beiden, wer weiß. Da war viel Raum für gütigen Humor.
Und ungefährlich blieb es trotz brisanter Weltenlage obendrein. Spiel also mit verteilten Sprechrollen auf einem schwarzen Barhocker, Eingangstür im Rücken. Willi als netter Kerl mit Hausmeistererfahrung, Lisbeth eher mit Hausmeister-Frauen-Erfahrung, ein wenig tüttelig. Schon urig-ulkig, wie die beiden sich die Welt erklären, sich gegenseitig korrigieren, wenn es nur um ein gesprochenes „Ich liebe dich“ geht, oder um Depressionen oder um das Warzenbesprech-Schwein beim Zoobesuch. Sogar den Schlüsseldienst hatte Willi in den Keller gesperrt, weil der für zwei Minuten 150 Euro wollte! Der kann sich ja einen Schlüsseldienst rufen, wenn er da raus will, und selber bezahlen!
Gerd Normann machte seine Sache gut und glaubhaft. Vieles war ohnehin auf eine Pointe gesetzt, und die beherrscht er so gut wie das Bücherschreiben: Über sein Dorf, den Gasthof und die gasthöflichen Grummelbärte und Grummelbärtinnen darin, oder über vier Rad-Touren mit ungewissem Ausgang. Jeder nimmt das Leben eben, wie er denkt, in jedem Falle aber live, wie eine Olive.
Das Café mit ligurischer Tiefenbindung, Gerd Normann mit paganischem Humor, das Publikum mit Dankbarkeit. Die war auch nötig, denn für das abendfüllende Programm wurde kein Eintritt verlangt, eine unauffällige Sammelbüchse sollte es dann richten. Butter für die Fische eben.
Die Ausstellung von Roselyne Barone mit betont dekorativem Effekt der Farben „Rot und Schwarz und mehr“ ist bis Jahresende zu sehen, fast so lang sind die Herbstofferten von Editha Stürtz-Frase und der „Olive“ live. Sechs Termine gibt es noch, jeweils freitags, nächste Woche dann portugiesische Musik mit dem Duo Fado, Anfang Dezember ein Kurt-Weill-Abend. Der Weg ist nicht weit, das Café hat Am Markt die Hausnummer eins. Dazu die kleine Spende nicht vergessen! Gerold Paul
Gerold Paul
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