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Vor dem Verkauf. Rund um den Kommandantenturm befand sich einst die größte deutsch-deutsche Grenzübergangsstelle zwischen West-Berlin und der früheren DDR.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Checkpoint für Kleinmachnow

Die Gemeinde verhandelt mit dem Europarc über den Kauf des Kommandantenturms in Dreilinden

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Kleinmachnow - Wie zur Mahnung ragt der einstige DDR-Kommandantenturm in Kleinmachnow in den Himmel. Vor den Augen der Grenzsoldaten erstreckte sich dort einst die größte deutsch-deutsche Grenzübergangsstelle zwischen West-Berlin und der früheren DDR. Die Sicht auf Panzersperren, Maschendrahtzaun, Stacheldraht und Kontrollstellen von ganz oben – aus den Fenstern des alten Turms am Grenzübergang Drewitz – hätte für sie nicht besser sein können. Mit Röntgengeräten und Gammastrahlenkanonen suchten die Grenzer nach versteckten Flüchtlingen. Und wurden sie fündig, konnten sie per Knopfdruck die Sperren im Asphalt ausfahren lassen. Doch das ist Geschichte, geblieben ist nur der Turm.

Die alte Grenzstelle ist verschwunden, auch die DDR. Dafür hat sich inzwischen der Damm einer Brücke vor den Ausblick vom Kommandantenturm geschoben. Auch sonst stößt ein umherschweifender Blick im Kleinmachnower Europarc auf fast nichts mehr, was noch an die frühere Teilung erinnert. Deshalb wird nun im Ort darüber diskutiert, wie man den Turm als eines der letzten Relikte der vergangenen Zeit als Denkmal langfristig sichern kann. Der Gemeinde liegt ein Angebot des Inhabers, der Europarc Dreilinden GmbH, vor, den Turm am Albert-Einstein-Ring im Ortsteil Dreilinden zu kaufen. Das bestätigte Bürgermeister Michael Grubert (SPD) auf Anfrage. In der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses wurde hinter verschlossenen Türen über das Angebot verhandelt, noch seien nicht alle Details geklärt, die Entscheidung wurde verschoben. Mit einem Ergebnis sei im Juni zu rechnen. Wie hoch der Kaufpreis für den Turm sein soll, wird noch verschwiegen und verhandelt.

Bereits seit 1998 sind die Mitglieder des Vereins „Checkpoint Bravo“ darum bemüht, die Erinnerungen an die Grenzübergangsstelle wachzuhalten und den Turm vor dem Verfall zu bewahren. Vereinschef Peter Boeger machte sich für den Erwerb des Turms durch die Gemeinde stark. Nur so könne man das Engagement der Vereinsmitglieder langfristig verstetigen und die Aufarbeitung der Zeitgeschichte sichern, sagte Boeger. Bislang hat der Verein den Turm vom Europarc lediglich für 25 Jahre gepachtet.

„Schon das Objekt selbst erzählt eine große Geschichte“, sagt Boeger. Die Grenzkontrollstelle Drewitz entstand 1969, sie löste eine kleinere Anlage an der zuvor nördlich verlaufenden Autobahn ab. 1993 wurde sie abgerissen, übrig blieb der Kommandantenturm. Der Verein restaurierte in den Jahren 2005 bis 2007 die Turmruine mit Unterstützung privater Förderer, der Länder Berlin und Brandenburg sowie der Gemeinde. Zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution und des Falls der Berliner Mauer wurde am 3. Oktober 2009 eine Dauerausstellung eröffnet.

Die Ausstellung vor und im Turm schildert Ereignisse und Lebenswege, die mit dem Ort verbunden sind. Sie berichten von den Todesschüssen an der Grenze, von der Arbeit der Grenzer und von geglückten und missglückten Fluchtversuchen. Zu den spektakulärsten gehört die gescheiterte Flucht im hohlen Bauch einer ausgestopften Kuh – alles nachzuvollziehen auf den Schautafeln am Turm.

Am Sonntag hat der Verein die diesjährige Ausstellungssaison eröffnet. Zu sehen ist die Schau „Wir wollen freie Menschen sein! Der DDR-Volksaufstand vom 17. Juni 1953“. Der Turm ist nun jeden Sonntag ab 11 Uhr geöffnet. Zu kaufen gibt es auch den im vergangenen Jahr ausverkauften Ausstellungskatalog. Auf neuen Bänken sollen Wanderer und Radfahrer zudem eine Pause einlegen können, sagt Boeger. Langfristig soll auch der Geschichtspfad erweitert werden, der den Berliner Mauerradweg, den Kommandantenturm und das nahe gelegene sogenannte Panzerdenkmal verbindet.

Das Panzerdenkmal hat die Gemeinde in der Vergangenheit bereits erworben und den Sockel als auch die darauf thronende rosafarbene Schneefräse sanieren lassen. Beide Denkmale sind aus Sicht Boegers unbequem und gerade deshalb erhaltenswert. Auf spielerische Art und Weise könne man an ihnen die jüngste deutsche Geschichte erzählen. Das sei wichtig, denn die Erinnerungen an die deutsch-deutsche Teilung werden rar. Beim Blick vom Kommandantenturm scheint es schon heute unvorstellbar, dass sich hier einst die Westautos dicht an dicht durch die Grenzstelle quälten.

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