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Potsdam-Mittelmark: Chrysanthemen im Wiesengrund

Claudia Schlegel und Christine Lindner sind die beiden einzigen Ikebana-Lehrerinnen Brandenburgs

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Claudia Schlegel und Christine Lindner sind die beiden einzigen Ikebana-Lehrerinnen Brandenburgs Von Magda Gressmann Seddiner See - Im Wiesenhaus der Heimvolkshochschule Seddin war am Wochenende eine feine, elegante, floral geprägte Ausstellung zu sehen, die trotz erheblicher politischer Tagesereignisse einen großen Zuspruch erfuhr. Allein Samstag und Sonntag waren es fast 200 Besucher, die von den Künstlerinnen Christina Lindner und Claudia Schlegel empfangen wurden. Beide pflegen die spezielle asiatische Kunst, Blumen zu arrangieren, genannt Ikebena (lebendige Blumen). Im Mittelpunkt stand diesmal die Chrysantheme, eine Blume, die hierzulande den Herbst symbolisiert und oftmals zu großen dekorativen Sträußen gebunden, Bodenvasen schmückt. In der Ausstellung war es eher die einzelne Blüte und ihre lineare oder in Rhythmus und Farbe geradezu musikalische Verwendung und ihre sinnhafte Anordnung im Raum, die zum Staunen und zu Innehalten einlud. Ihr Wirken ist friedlich, ihr Schicksal bitter: Lieber tapfer dem Frost trotzen, als demütig zu fallen. Das schrieb drei Jahrhunderte vor der modernen Zeitrechnung der Dichter Tao Yuan-Ming über die Chrysantheme, die letzte Blume im Jahresablauf. Ihre Blüten und Blätter trotzten zwar dem ersten Winter, aber ihr Welken hieße auch Abschied nehmen von den Blumen des zurück liegenden Jahres. Anders als in mitteleuropäischen Gefilden ist die Chrysantheme in Japan aber Nationalblume und kaiserliches Symbol für Unsterblichkeit. Mag der jahreszeitliche Bezug das für den Betrachter augenscheinlichste Moment sein, die Kunst des Arrangierens dieser Blume ist jedoch selbst Sinnbild und ist mehr als die Kunst des dekorativen Blumensteckens. Gräser, Zweige, Moose, Schilf, Naturmaterialien wie Rinde, aber auch Verpackungen oder Metalle sind bei Christina Lindner und Claudia Schlegel keineswegs sicher. Christina Lindner fand Mitte der 90er Jahre zum Ikebana und Claudia Schlegel bereits 1992. Beide haben sich vor wenigen Jahren zusammengetan, haben bei ihren Lehrerinnen Helga Krause und Karin Schreiber gelernt, haben gemeinsam gearbeitet und Kurse und Workshops abgehalten, haben ihre vergänglichen Arbeiten sorgfältig dokumentiert und nehmen in dieser Woche den dritten der vier möglichen Grade entgegen, die Ikebana-Lehrer erhalten können: Beide gehören zur Grasmond-Schule Sogetsu, einer der vielen japanischen Ikebana-Schulen. Die Künstlerinnen arbeiten hauptberuflich im Gesundheitswesen, die eine als Pharmazie-Ingenieurin in der Apotheke, die andere als Medizinisch-Technische Laborassistentin in einem Krankenhaus. Nach anderen künstlerischen Erfahrungen und Versuchen ist Ikebana nun seit langem die Entdeckung für Teika (tugendhafte Blüte) und Shuran (Frühlingsorchidee). Diese schmückenden Namen erhielten die beiden Künstlerinnen mit dem Erwerb des ersten Lehrergrades. Für gewöhnlich wird er zusätzlich zum Familiennnamen getragen. Schlegel und Lindner sind die beiden einzigen Ikebana-Lehrerinnen im Land Brandenburg. Stuttgart, München, Frankfurt a.M. und Berlin sind die eigentlichen Hochburgen dieser asiatischen Kunst in Deutschland. Die Geschichte des Ikabana hat vielfältige Veränderungen durchlaufen – von den Ursprüngen des rituellen Blumenopfers über die Darstellung der Schönheit der Natur im 15.Jahrhundert, die Dekoration von Blumen und Zweigen zu zeremoniellen und festlichen Gelegenheiten bis hin zur avantgardistischen Darstellung. Ikebana ist etwa der Teezeremonie vergleichbar: Die Zeit und das Selbst erhalten dabei einen anderen Stellenwert. So wird die Blume, wie hier die Chrysantheme ein Stück Selbsterfahrung und Alltagsphilosophie. Dienstags finden in Seddin zweistündige Kurse statt, der nächste beginnt am 19. Oktober: Männer und Frauen können sich unter Tel. (033205) 44366 anmelden.

Magda Gressmann

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