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Erstaunliche Persönlichkeit. Urgroßnichte Clara Marie neben der Gedenktafel.

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Potsdam-Mittelmark: Clara würdigt Clara

In Caputh wird jetzt mit einer Tafel an das Wirken der Wissenschaftlerin Clara von Simson erinnert

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Schwielowsee – An seine Tante Clara kann sich Georg von Simson lebhaft erinnern: Er weiß noch, wie sie mit ihm und seiner Schwester durchs Berlin der dreißiger Jahre flanierte und jedes Haus erklärte. Oder wie sie nach dem Krieg in ihrem Käfer durch die geteilte Stadt brauste und über die langsamen Autofahrer schimpfte. „Sie hatte ein beängstigendes Temperament“, sagt er, „Geduld war nicht ihre Stärke.“ Der Öffentlichkeit ist Clara von Simson (1897-1983) vor allem als Physikerin, Chemikerin und liberale Politikerin bekannt geworden – und als Mensch, der sich für die Förderung junger Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen einsetzte. Lange Zeit hatte sie in Caputh gelebt, im Haus Seehof in der Schwielowseestraße 72.

Im Rahmen des Projektes „Frauenorte im Land Brandenburg“ ist gestern eine Gedenktafel für Clara von Simson am Tor des Familienanwesens enthüllt worden – von ihrer Urgroßnichte Clara Marie, die jetzt mit ihrer Schwester und ihren Eltern hier lebt. Familienoberhaupt Georg von Simson erinnerte an die „erstaunliche Persönlichkeit“ seiner Tante, ihre Zivilcourage und ihren Anmut. Nach dem frühen Tod seiner Eltern hatte sie die Vormundschaft über ihn und seine Schwester übernommen. „Bei all ihrer Arbeit hatten wir nie das Gefühl, zu kurz zu kommen.“

Clara von Simson verbrachte in Caputh Kindheit und Jugend, bevor sie 1918 ihr Studium der Physik und Chemie in Berlin aufnahm – und nach fünf Jahren promovierte. Im Haus Seehof fand sie auch während des Zweiten Weltkrieges Zuflucht: Als Nachfahrin einer jüdischen großbürgerlichen Familie war sie 1938 vom physikalischen Kolloquium der Technischen Hochschule ausgeschlossen worden.

Nach dem Krieg engagierte sie sich in der Frauen- und Friedensbewegung, habilitierte als erste Frau an der Technischen Universität in Physik, trat 1949 in die FDP ein und übernahm 1952 die Leitung des Lette-Vereins. 1866 als „Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“ gegründet, widmet er sich der Öffnung vieler Berufsfelder für Frauen. In den 60ern war von Simson Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und in den 70ern Vorsitzende des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung. An all dies erinnert die Tafel in Caputh.

Das Projekt Frauenorte ist 2010 im Rahmen des Kulturlandjahres entstanden. Mittlerweile erinnern Tafeln an 26 Orten im Land an engagierte Frauen, wie Sabina Scheuerer vom Frauenpolitischen Rat Brandenburg erklärte. „In der Geschichtsschreibung erfahren wir fast immer nur etwas über die Leistung von Männern.“ Die Frauenorten sollen das ändern.

Im Mittelpunkt stehen Persönlichkeiten wie etwa Eva Strittmatter (1930-2011). In Potsdam-Mittelmark gibt es sechs Gedenktafeln – unter anderem für die Diakonissen im früheren Kloster Lehnin, für die Ärztin Helga Kroening (1915-2004) in Bad Belzig oder für Hedwig Rösemann in Niemegk, die hier 1655 wegen Hexerei verbrannt wurde. In Schwielowsee erinnert eine Tafel in Baumgartenbrück an die Fotografin Marie Goslich (1859-1938).

Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) lobte das Projekt, dessen Ziel es sei, „das für unsere Gesellschaft so wichtige Wirken von Frauen noch viel mehr in den Fokus zu rücken“. Die Bürgermeisterin verwies auf die engagierten Frauen von heute in ihrer Gemeinde: Heimathistorikerin Krystina Kauffmann, die Vorsitzende des Initiativkreises Albert-Einstein-Haus Caputh, Wiebke Franck, oder Gemeindevertreterin Heidemarie Ladner (SPD). Aus eigener Erfahrung könne sie sagen: „Ohne Frauen läuft in Schwielowsee gar nichts.“ Thomas Lähns

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