KulTOUR: Das Glück der Unwissenheit
Rehbrücke - Künstler sind zuerst Menschen im Leben, nur mit besonderer Art. Sie müssen sich durchschlagen, wie andere auch.
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Rehbrücke - Künstler sind zuerst Menschen im Leben, nur mit besonderer Art. Sie müssen sich durchschlagen, wie andere auch. Manche werden berühmt, andere sinken in das Vergessen, ohne je schlechter gewesen zu sein. Weil aber in dieser Schöpfung rein gar nichts verloren geht, kommt irgendwann ein Tag der „Wiedererweckung“. Das ist x-mal bewiesen. Genau so ergeht es derzeit dem Maler Paul Matthes, 1872 in Königsberg geboren, 1956 in Bergholz-Rehbrücke verstorben und dort beerdigt. Einem eher kleinen Kreis von Kennern ist er durch Porträts, abbildhafte Grafik und Landschaftsmalerei bekannt. Von seinem Leben wäre es weniger, hätte es nicht die Bekanntschaft zwischen seinem Patensohn Helmut Nega und Siegfried Jahn, beide Rehbrücker, gegeben. Gesucht und gefunden – man vereinbarte, über Leben und Werk dieses Mannes zu forschen, den Bildern seiner Wanderjahre in den Niederlanden und der Schweiz nachzugehen, und vor Ort, in der Galerie EigenArt, eine erste, bescheidene Ausstellung zu organisieren. All dies hat sich in den vergangenen Jahren mit kräftiger Unterstützung des Ortsvereins erfüllt. Ähnlich wie bei den Forschern vom Fercher Kossätenhaus entdeckte man, dass etliche Bilder in den guten Stuben des Potsdamer Umlandes ein Zuhause gefunden haben. Auch in den Museen der Schweiz und der Niederlande ist der Königsberger zu finden und dort vielleicht bekannter als hier bei uns.
Die erste Generation der Nachforscher ist natürlich mit einer „Herzkrone“ geadelt, weil solches Tun ohne viel Herz völlig unmöglich ist. So finden sich im liebevoll gestalteten Katalog zu diesem „Maler in Europa“ sehr interessante Erinnerungen, die viel mit Helmut Negas Mutter Gertraud und mit Potsdam zu tun haben. Matthes war mit seiner Lebensgefährtin Edith Bender zwar 1948 in die Rehbrücker Feldstraße gezogen, lebte aber die meiste Zeit auf seinem Hausboot in der Havelbucht, deshalb kannte ihn die Nachbarschaft auch kaum. Törns führten ihn in beide Fließrichtungen der Havel, woraus für den Autodidakten so mancher Mal-Impuls erwuchs. Er war ein Maler, der von seiner Kunst leben, der sich durchschlagen musste und sich ohne viel Aufsehen wohl auch durchgeschlagen hat.
Eigentlich ein Glücksfall, so wenig von seinem Leben zu wissen. So hat jeder die Gelegenheit, ihn in seinen Bildern zu suchen und wiederzufinden, das ist immer eine recht edle Sache. In den Veduten des alten Potsdam, in seinen Bildern an und auf den Wassern, die nicht alle vollendet erscheinen, in den präzise erfassten Porträts seiner Zeitbegleiter, in den grafisch gestalteten Kunstpostkarten seiner Hand, im düsteren Dom zu Fitzlar, am Birkenweg bei Binenwalde, oder gleich nebenan, am Stölpchensee. Es sind stille, beinahe friedensstiftende Werke, die Siegfried Jahn und Helmut Nega hier für Rehbrücke und alle Welt zusammengetragen haben. Man kann sicher sein, dass die Galerie „EigenArt“ viel Zulauf bekommt, allein schon wegen des „Entdecker-Bonus“, was freilich eher ein Wiederfinden ist. Es werden sich mit Gewissheit auch Leute melden, die über Paul Matthes noch etwas zu sagen wissen, und so ein gut begonnenes Werk auf ihre Art weiterführen. Otto Nagel, Richard Muth, Agnes Brandau und andere – irgendwann wird man auch Rehbrücke zum „Künstlerort“ küren! Gerold Paul
Vom 18. 10. bis 2. 11. jeweils am Wochenende von 14 bis 18 Uhr, Rehbrücke, Weertstraße 2a
Gerold Paul
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