Von Thomas Lähns: „Das ist Ökoheuchelei“
Erste Demo gegen Bio-Sprit E 10 mit fast 200 Teilnehmern / Veranstalter kündigt weiteren Protest an
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Werder (Havel) - Seinen alten 353er Wartburg hält Frank Schönefeld in Ehren. Eine Sprit-Reform hat der Zweitakter bereits mitmachen müssen: Als nach der Wende das Gemisch-Benzin vom Markt genommen wurde, fing er an, den Treibstoff selbst zu mixen. Das neue E 10 würde der Blechveteran allerdings überhaupt nicht vertragen – ebenso wie der Kadett seines Vaters. „Das macht die Motoren kaputt“, schimpft Schönefeld. Was ihn noch wütender macht, sind die gestiegenen Preise für herkömmliches Super. „Schluss mit der Abzocke“ steht auf einem selbst gemalten Schild, das der Demonstrant in die Höhe hält.
Hier in Derwitz kommt an diesem Samstagmorgen der Protest ins Rollen. Laut Veranstalter ist es die erste Demo gegen den neuen Bio-Treibstoff bundesweit. In dem kleinen Dorf westlich von Werder (Havel), in dem Flugpionier Otto Lilienthal vor 120 Jahren erstmals abhob, sorgen sich die Bürger heute darum, auf der Erde noch irgendwie vom Fleck zu kommen. Normal-Benzin bekommt man so gut wie gar nicht mehr, und vor den Zapfsäulen, an denen es noch Super ohne 10 Prozent Bioethanol-Anteil gibt, stehen die Autos Schlange. Wer ein paar Liter ergattern kann, muss mittlerweile tiefer in die Tasche greifen als je zuvor. Auch der Dieselpreis ist in die Höhe geschossen – seit März 2009 um 157 Prozent, wie ein Banner deutlich macht.
„Überall steigen die Preise, aber die Löhne steigen nicht“, sagt auch Frank Schönefelds Bruder Ralf. „Wie sollen die Leute noch zur Arbeit kommen? Das Maß ist voll“, proklamiert er. Knapp 200 Leute haben sich gegen acht Uhr auf den Protestmarsch vom Ortskern zum Gewerbegebiet an der A 10 begeben, gefolgt von vielen Fahrzeugen. Traktoren sind dabei, Transporter hiesiger Betriebe und Autos. Dahinter schieben sich jene Fahrzeuge voran, die unbeabsichtigt in den Zug geraten sind. Auch sie winken und hupen. Der Übergang von den Protestlern zu den Sympathisanten verläuft fließend.
Die Demo hat der ortsansässige Bauunternehmer Ralf Heinicke initiiert. 14 Fahrzeuge unterhält sein Betrieb, alle laufen mit Diesel. „Aber durch die E10-Einführung ist der Diesel kaum noch bezahlbar“, sagt er. Heinicke will zeigen, dass die Preisschraube endgültig überdreht worden ist und hofft auf Nachahmer überall in Deutschland. Auch in Derwitz werde es weitere Demos geben, kündigt er an, dann auch unter der Woche im morgendlichen Berufsverkehr. „Abends wollen die Leute nach Hause, und wir wollen die Autofahrer ja nicht ärgern.“
Kurz vor der Einfahrt zum Gewerbegebiet Derwitz hat die Polizei die Gegenfahrbahn abgesperrt, damit die Demonstranten abbiegen können. Durchreisende müssen warten. Er habe Verständnis für den Protest, sagt der Fahrer eines Transporters und zieht an seiner Zigarette. Dafür warte er gern. „Eine Katastrophe, dass wir hier nicht weiterkommen“, bemerkt hingegen ein Golf-Fahrer, der in Eile sei. E10 betreffe ihn nicht, sagt er, er fahre ja mit Diesel. Dass der jetzt mehr kostet, sei ihm allerdings auch schon aufgefallen.
Der Zug erreicht die Total-Tankstelle. Ralf Heinicke ist zufrieden, hier sei ein Zeichen gesetzt worden, sagt er und löst die Demo auf. Kleinere Grüppchen bleiben noch und tauschen sich über ihre E10-Erfahrungen aus. Wie die „US-Car-Freaks“ aus Brandenburg (Havel), die in ihren Ami-Schlitten mitgefahren sind. „Keinen Tropfen“ könnten sie tanken, sagt der Vorsitzende des Vereins Ronny Wyrwa. Der Alkohol im Sprit würde Gummiteile und Leitungen so schnell auflösen, dass es oft nicht mal mehr zum Motorschaden käme. „Der Motor erreicht seine Betriebstemperatur nicht, das Motorenöl wird verdünnt – und durch das Wasser im Ethanol rosten die Einspritzdüsen.“ Diese Gefahren bestünden bei allen Marken, erklärt er fachmännisch. Aber in den USA wird doch sogar schon mit E85 gefahren?! „Aber dafür müssen die Autos aufwendig umgebaut werden“, so Wyrwa. In Deutschland gehe es nicht darum, der Umwelt zu helfen, sondern die Spritpreise zu erhöhen. E 10 solle davon nur ablenken, vermutet er und setzt hinzu: „Das ist nur Ökoheuchelei.“
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