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Potsdam-Mittelmark: Den Deutschen war die Arbeit zu schwer

Vor allem Russen, Galizier, Polen, Italiener und Kroaten schufteten beim Bau des Teltowkanals

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Nach dem Projekt von Havestadt und Contag zweigt der Teltowkanal entsprechend seiner Kilometierung aus der Unteren Havel (Glienicker Lake) ab. Er verläuft durch den Griebnitzsee und das untere Bäketal bis zur Staustufe mit der Schleuse Kleinmachnow. Weiter führt der Kanal über den Machnower See an Teltow vorbei nach Lichterfelde und Steglitz, Lankwitz, Mariendorf, Tempelhof und Britz. Von dort aus wendet sich die Rudower Strecke in Süd-Ost-Richtung bis zur Dahme in Grünau und der 3,4 Kilometer lange Britzer Zweigkanal als zweiter Arm nach Osten bis zur Oberspree in Baumschulenweg. Von der Havel bis zur Dahme sind es 37,8 Kilometer.

Die eigentlichen Bauarbeiten am Teltowkanal begannen im April 1901. Eingesetzt war eine jährliche steigende Anzahl von Arbeitern, wobei der Anteil der Deutschen stetig sank: 1901 insgesamt 722 Beschäftigte (Deutsche 461) und 1905 2550 (997). Die Arbeiter kamen aus Galizien, Russland, Polen, Italien und Kroatien. Die Kanal-Bauverwaltung musste die ausländischen Arbeiter anwerben, da sich für die schweren, mit Spaten, Schaufel und Axt zu erledigenden Tätigkeiten im sumpfigen Gelände zu wenig Deutsche einstellen ließen. Der Stundenlohn eines Erdarbeiters betrug 38 Pfennig. Die Tagesmahlzeit ohne Brot kostete 40 Pfennig. Zu den Berufen gehörten Steinsetzer, Maurer, Zimmerleute, Geräte-, Schiffs- und Lokführer. Den einzelnen Baustrecken waren Ärzte und Gendarmen zugeteilt. Die tägliche Regelarbeitszeit belief sich auf zehn Stunden, sonn- und feiertags war frei. Die Wohnunterkünfte lagen bis zu 30 Kilometer von den Baustellen entfernt.

Im Jahre 1904 waren am Kanalbau sechs Trockenbagger, fünf Schwimmbagger, 22 Dampfpumpen, 33 Schuten und sechs Schleppdampfer, 1317 Loren und 36 Lokomotiven auf 90 Kilometer Gleis und 569 Schubkarren eingesetzt. Zu errichten hatte man neun Eisenbahnbrücken und 46 Straßen- sowie Wegebrücken. Hafenbecken sah das Projekt in Lichterfelde, Steglitz, Tempelhof und Britz vor. Für örtliche Umschlagplätze und Industriehäfen entstand eine Vielzahl von ein- oder zweiseitigen Kanalverbreiterungen (an jeder Uferseite zehn Meter).

Der Teltowkanal wurde damals für den zweischiffigen Verkehr mit Plauer-Maßkähnen von 1,75 Meter Tiefgang und 600 Tonnen Tragfähigkeit ausgelegt. Er erhielt eine Sohlenbreite von 20 Meter und durchschnittlich 2,35 Meter Wassertiefe.

Seine Anlegung verlief zwischen Grünau und Bäke-Fluss überwiegend durch Trockenbaggerung und bis auf 17 Meter tiefe Einschnitte östlich von Steglitz unproblematisch. Der Bau gestaltete sich dagegen im Urstromtal der Bäke äußerst schwierig. Um das Kanalprofil zu erreichen, mussten zu beiden Kanalseiten Aufschüttungen vorgenommen werden. Bei späteren Probebohrungen stellte man fest, dass die Schütt-Tiefen zwischen Steglitz und Kleinmachnow 12 bis 20 Meter erreichten. Anzulegen waren darauf zu beiden Seiten die für den Treidelverkehr vorgesehen 70 Kilometer Leinpfade der Kanalbahn.

Während der Griebnitzsee und der Machnower See eine ausgebaggerte Fahrrinne erhielten, legte man den Schönower See und den Teltower See trocken. Insgesamt wurden beim Kanalbau 12,6 Millionen Kubikmeter Boden bewegt. Es entfielen auf Profilbaggerungen 11 Millionen und auf Seitenabtragungen für Dammschüttungen 1,6 Millionen Kubikmeter.

Der Bau der Machnower Schleuse begann im März 1902. Ein Modell des damals mit neuartigen Lösungen versehenen, modernsten Wasserbauwerkes dieser Art hatte schon auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis (USA) für großes Interesse gesorgt. Die Doppelschleuse erhielt zwei Kammern mit nutzbaren 67 Meter Länge und 10 Meter Breite sowie Hubtore. Über einen Querkanal miteinander verbunden, lassen sich durch Wasserumleitung bei einer Schleusung bis zu 50 Prozent Wasserersparnis erzielen. In Fortsetzung der zwischen den Kammern 12 Meter breiten Plattform befand sich auf jeder Seite ein 140 Meter reichendes Längsleitwerk mit Laufkatzen. Die Schiffe machten daran fest, um im Schleusenbereich gezogen zu werden. Das Wehr sollte bei Hochwasser die Spree in Berlin um bis 25 Kubikmeter in der Sekunde entlasten. Die Schleuse war im Oktober 1905 für den Schiffsbetrieb fertiggestellt.

Mit Hilfe der Machnower Schleuse wird ein mittlerer Höhenunterschied von 2,74 Meter überwunden. Den elektrischen Strom erhielt die Anlage von dem drei Kilometer entfernten, kreiseigenen Kraftwerk Schönow. Das Kraftwerk versorgte auch die zu beiden Seiten des Kanals für den Schiffsverkehr betriebenen Treidelbahn, die in Kanalnähe liegenden Ortschaften und die Lichterfelde-Teltower Straßenbahn.

Der Autor: Joachim Winde lebt in Stahnsdorf und ist Diplom-Ingenieur für Schifffahrt. Er arbeitete seit 1960 im Bereich der deutschen Binnenschifffahrt und als Dozent für Speditionsbetriebslehre.

Joachim Winde

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