
© Manfred Thomas
Potsdam-Mittelmark: Der BOS-Funk-Skeptiker
Der Kleinmachnower Funkamateur Manuel von Aster kämpft in Internetforen gegen den digitalen Behördenfunk. Einige seiner Kritikpunkte können von den Verantwortlichen kaum ausgeräumt werden
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Kleinmachnow - Er ist stolz auf seine Funklizenz und hält eine Menge von analoger Funktechnik. Manuel von Aster aus Kleinmachnow ist begeisterter Funkamateur. Inzwischen geht ein Teil seiner Freizeit bei einem anderen Thema drauf: Von Aster kämpft gegen den Digitalfunk bei Polizei, Zoll und Rettungswesen. Bis 2014 soll die Analogtechnik deutschlandweit durch ein neues Tetra-Digitalfunknetz ersetzt sein, in dem dann alle „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“ (BOS) kommunizieren sollen. Es geht um Milliarden-Aufträge, um Wohl und Sicherheit des ganzen Landes. Von Aster, der als Behindertenfahrer sein Geld verdient, wäre die Sanierung des Analognetzes lieber.
Er hat sich in Internetforen einen Namen gemacht, bei Google finden sich 740 Einträge des Digitalfunk-Kritikers. Alles, was er so herausfand, hat der Kleinmachnower archiviert, mit holländischen Feuerwehrleuten gesprochen und mit Berliner Maltesern, bei denen er mal gearbeitet hat. Er hat sich „eingefuchst“. Nicht, weil er ein Feind neuer Technologien sei, sondern „für mich und meine früheren Kollegen“. Jeder könne in Notsituationen geraten. Von Aster ist überzeugt: „Der Digitalfunk gefährdet die Sicherheit von Bevölkerung und Einsatzkräften.“
Er verweist auf Süd-Hamburg, wo man nach ein paar Tagen Testbetrieb wieder die analogen Geräte aus den Schubladen geholt habe. In Berlin würden Polizisten über Digitalfunklöcher in Einkaufspassagen klagen, in Holland oder England das Digitalnetz bei Großeinsätzen regelmäßig kollabieren. Hoffnungen, künftig zum Beispiel Phantombilder übertragen zu können, seien trügerisch: „Bei der Übertragungsrate befinden sich die Verbrecher im Ruhestand, bevor Fahndungsdaten übertragen sind.“ Außerdem seien die jährlichen Betriebskosten für die Länder doppelt so hoch wie mit Analog, in Brandenburg fünf statt zwei Millionen Euro. Die Zahl stammt vom Innenminister, die Kommunen sollen künftig an den Kosten beteiligt werden.
Zuständig für die Digitalfunk-Einführung ist die „Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“ (BDBOS) in Berlin. Auf eine Presseanfrage gibt es nicht durchweg überzeugende Antworten: Die Investitionskosten sind dort „nicht alle“ bekannt. Wie hoch die Betriebskosten im Vergleich zu Analog sind, „entzieht sich unserer Kenntnis“, so BDBOS-Sprecherin Claudia Legenstein. Und das Tempo?
Eine „Mindestdatenrate von 4,8 kBit/s“ verspricht sie, um „eine sichere, hochverfügbare Sprachkommunikation und daneben eine schmalbandige Datenkommunikation“ zu ermöglichen. Fahrzeughalter sollen damit von einer Datenbank abgefragt werden und Fingerabdrücke versandt werden können, sagt Legenstein. Das Handynetz bietet die zehnfache Übertragungsstärke, UMTS die 80-fache. Die Chance der Datenübertragung wird von Legenstein dennoch als Vorteil gegenüber Analog genannt – neben der Möglichkeit für Gruppengespräche, der Abhörsicherheit und „der hohen Verfügbarkeit“.
Zur Reichweite erklärt sie, dass „de facto die gesamte Fläche der Bundesrepublik mit Digitalfunk versorgt werden soll“. Ein weiterer Kritikpunkt von Asters wird von der BDBOS derweil bestätigt: Anders als beim Analogfunk wird die Verbindung in nicht versorgten Gebieten „abrupt“ abgebrochen, für von Aster im Einsatzfall „eine Riesengefahr“. Beim Analogfunk kündige sich der Verbindungsabbruch durch ein Rauschen an, dann gäbe es Ausweichchancen in andere Kanäle.
Von 4500 benötigten Digital-Basisstationen sind laut BDBOS 900 in Betrieb. In Städten wie Bremen, Leipzig, Stuttgart oder München wird schon digital gefunkt. Auch in Berlin, wo die 38 Basisstationen in diesem Jahr um zehn Türme ergänzt werden, damit das Netz wirklich flächendeckend funktioniert. In Brandenburg sind 170 Basisstationen geplant. Die Infrastruktur soll deutschlandweit bis 2012 stehen, bis alles justiert ist wird es laut Legenstein aber weitere zwei Jahre dauern.
Was Hamburg angeht, betont sie, dass südlich der Elbe im April tatsächlich eine Störung festgestellt wurde, für sechs Tage sei man zeitweise zum Analogfunk zurückgekehrt. „Als Fehlerquelle konnte eine für die Sprachanschaltung an das BOS-Digitalfunknetz in der Leitstelle eingesetzte Komponente identifiziert werden.“ Das wird von Aster kaum beruhigen. Und selbst Brandenburgs Landesregierung hat unlängst auf eine Landtagsanfrage „Mängel und Risiken“ des neuen Digitalfunks eingeräumt, der nicht mehr dem neuesten Stand entspreche, sich aber „eng an den Anforderungen“ orientierte. Vielleicht zu eng, meint der Kleinmachnower.
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