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Beelitzer Edelgemüse: Der Spargel spaltet
Beelitzer Stange im Test durchgefallen. Bauern sehen sich durch „westdeutsche Spargellobby“ ausgebremst
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Beelitz - Wladimir Putin hatte ihn beim G8-Treffen auf dem Teller, George Bush verspeiste ihn auf Schloss Meseberg. Und erst vergangene Woche durfte sich Frankreichs neuer Präsident François Hollande mit einigen Stangen stärken, als er von der Kanzlerin in Berlin empfangen wurde. Längst hat der Beelitzer Spargel Eingang in die deutsche Außenpolitik gefunden. Jetzt ist er selbst zum Politikum geworden: Eine Jury aus drei Spitzenköchen hat das Stangengemüse sechs verschiedener Anbaugebiete miteinander verglichen – und jenes aus der Mark auf den letzten Platz verbannt. Zu wenig Geschmack, zu wenig Süße und kaum Nachklang, so das niederschmetternde Urteil der Experten.
Die Beelitzer Bauern sehen hier einen neuen Ost-West-Konflikt heraufziehen. „Unser Spargel ist eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte“, betont Manfred Schmidt, Chef des Beelitzer Spargelvereins. Aber weil viele Beelitzer Bauern ihr Erzeugnis mittlerweile auch in die alten Bundesländer liefern würden, seien sie eine unliebsame Konkurrenz für die dortige Spargellobby geworden, vermutet er.
Das „Ranking“ war im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erstellt worden, in sieben Kategorien wurde bewertet: von Form und Farbe über Duft bis hin zum Aroma. Am besten abgeschnitten hat das Edelgemüse aus der Pfalz mit 146 von 210 möglichen Punkten, gefolgt von jenem aus dem bayerischen Schrobenhausen mit 124 Punkten. Der Beelitzer Spargel erhielt nur 89, lediglich in der Form lag er gegenüber den anderen vorn.
Ernst-August Winkelmann, Chef und Mitbegründer des Spargelhofes Klaistow, stellt das Ergebnis ausdrücklich infrage. Und auch bei ihm klingt der Vorwurf der Spargel-Parteinahme durch. „Unsere Gäste bestätigen mir immer wieder, dass die Qualität unseres Spargels ausgezeichnet ist“, sagt er. Und auch die Supermärkte würden von seinem Hof aus nur frisch beliefert werden. „Wie lange und unter welchen Bedingungen der Spargel dann lagert, darauf haben wir keinen Einfluss“, so Winkelmann weiter.
Einfluss hatten die Beelitzer auch nicht auf die Auswahl der von den Kochprofis kritisch bewerteten Spargelprobe. „Wenn man so etwas macht, dann hätte man uns Bescheid sagen sollen“, so Schmidt. Immerhin gebe es beim Spargel – wie auch beim Wein – bessere und schlechtere Lagen. Der Spargelverein denkt nun über einen Gegentest in Berlin nach. Und bei dem sollten dann „alle Startblöcke in einer Reihe stehen“, wie er erklärt. Denn wo der Testspargel für Frankfurt (Main) gekauft wurde, wisse man nicht.
Diese Frage kann auch Patrick Bittner nicht beantworten. Der mit dem Michelin-Stern ausgezeichnete Küchenchef des Frankfurter Restaurants „Français“ hatte vor wenigen Tagen zusammen mit zwei Kollegen drei Stunden die Spargelstangen im Presseauftrag betrachtet, berochen, gekocht, verzehrt und bewertet – im Blindtest, wie er unterstreicht, also ohne zu wissen, welche Stange woher kommt. Den Spargel habe das Team der FAZ mitgebracht. „Aber wir hatten schon im Hinterkopf, dass der eine vielleicht länger unterwegs war als der andere und das in der Bewertung berücksichtigt“, so Bittner.
Er sei überrascht über das große Echo des Tests – und relativiert das Ergebnis wohl auch deshalb ein wenig: „So etwas ist immer eine Momentaufnahme. Ein neuer Test kann auch anders ausfallen.“
Also doch echte Beelitzer Spitzenqualität statt märkisches Mittelmaß? Auch aus der hiesigen Kochszene gibt es Kritik am Edelgemüse von nebenan. Die Qualität habe in den vergangenen Jahren nachgelassen, sagt Guido Reihs, Koch im Wildenbrucher Gasthof „Zur Linde“. Das habe einerseits mit der Veränderung des Klimas zu tun, andererseits aber auch mit dem Konzept der Betriebe: „Viele Spargelbauern sind nur noch auf Masse bedacht“, so Reihs’ Beobachtung, deshalb würden die Erträge durch Düngung und den Einsatz von Folien in die Höhe getrieben. „Früher war Spargel noch etwas besonderes.“
Der Wildenbrucher Gasthof bezieht seinen Spargel vom Beelitzer Betrieb Karl-Ludwig Syring – aber nur den, der unter freiem Himmel wächst und den Ansprüchen des Hauses genüge, so Linden-Inhaber Ralf Weissmann. Für ihn sei das negative Testergebnis kein Wunder: „Es dreht sich doch gar nicht mehr ums Produkt“, sagt er und kritisiert die Massenbewirtung auf den Spargelhöfen, die die heimische Kleingastronomie „kaputt machen“ würde. Als Alternative zum Spargel empfiehlt er das Teltower Rübchen – weil das noch nicht so bekannt ist. Obwohl sich auch das schon der ein oder andere Politiker einverleiben durfte.
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