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Potsdam-Mittelmark: Der unbekannte (Landes-)Vater

Rudolf Steinhoff hat ein Buch über seinen Vater Carl (1892-1981), den ersten Ministerpräsident Brandenburgs geschrieben.

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Michendorf – Wie schreibt man ein Buch über jemanden, den man selbst nur wenig kannte? Rudolf Steinhoff, Sohn des ersten Brandenburgischen Ministerpräsidenten und späteren DDR-Innenministers Carl Steinhoff (1892-1981), hatte seinen Vater jahrzehntelang nicht gesehen. Während der Filius zunächst als linientreuer Mediziner in der DDR Karriere machte, lebte der Senior in sich gekehrt in Wilhelmshorst. Stalin hatte 1952 dessen Absetzung befohlen. Aber Carl Steinhoff war nicht sauer auf die Genossen, er arrangierte sich. Sauer war er auf seinen Sohn, der schon mit 24 Jahren heiratete – und dann auch noch eine Sekretärin.

Auch das kann bezeichnend für einen Menschen sein – für ein aussagekräftiges Lebensbild ist es wenig. „Carl Steinhoff – die Biografie“ ist jetzt im Berliner Verlag Edition Ost erschienen. Das Buch hatte schon im Vorfeld Interesse geweckt, immerhin gehört der in Herfordt geborene Jurist und Sozialdemokrat zu den weniger bekannten Persönlichkeiten der DDR-Geschichte. Manfred Stolpe hat ihn seinen „großen Vorgänger“ genannt – obwohl Steinhoff leidenschaftlich für die Zwangsvereinigung seiner Partei mit der KPD eintrat und obwohl er als Innenminister, der er 1949 wurde, für die Gründung der Stasi mindestens mitverantwortlich war.

Den Großteil seines Lebens hatte Carl Steinhoff in der inneren Emigration verbringen müssen. Schon vor der Machtübernahme der Nazis war er 1932 als Vize-Oberpräsident von Ostpreußen abgesetzt worden. Die braune Diktatur überdauerte er in Wilhelmshorst, wo er seiner Familie ein Haus gebaut hatte. Hier meldete er sich als „Luftschutzwart“ – damit ihn die Lokal-Nazis in Ruhe ließen. Nach 1952 wurde er abermals aufs politische Abstellgleis geschoben – weil er als Intellektueller und Pazifist im Amte des Innenministers schwerlich die Aufstellung der DDR-Armee hätte koordinieren können.

Bedeutsam sind die Jahre dazwischen: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Steinhoff als Präsident der Provinzialverwaltung der Mark Brandenburg berufen. „Von Anfang an setzte er dabei auf Vertrauen“, schreibt sein Sohn, „– zu den Menschen wie zur Besatzungsmacht.“ Carl Steinhoff habe auf Augenhöhe mit den Offizieren verkehrt und sei von ihnen akzeptiert worden. Schon in den letzten Kriegstagen hatte die Familie der Roten Armee ihr Haus An den Bergen 29 als örtliches Hauptquartier geöffnet. „Meine Mutter sagte sofort zu. Einen besseren Schutz konnte sie gar nicht bekommen“, schreibt Sohn Rudolf, der noch im Januar 1945 als Sanitäter zum Kriegsdienst einberufen worden, aber bald desertiert war und sich nach Hause durchschlug.

Als zentrales Ereignis schildert er die Konferenz der Ministerpräsidenten 1947 in München – und nutzt die Gelegenheit, seinen Vater als Kämpfer für die Einheit in Erinnerung zu rufen. Die nämlich hatten er und die vier anderen „Landesväter“ aus der Ostzone auf die Tagesordnung setzen wollen, was jedoch abgelehnt wurde – vor allem aus Angst, dass ganz Deutschland unter den Einfluss der Roten gerät. Wie das ablaufen würde, hatte man durch die Umbrüche in Ungarn, Polen und später der Tschechoslowakei gesehen. „Wir sahen uns einer geschlossenen Phalanx eines Nein gegenüber“, sagte Steinhoff später enttäuscht gegenüber der Presse. Vor allem von den SPD-Länderchefs war er demonstrativ geschnitten worden. Aber immerhin war die demokratische Legitimation der Ost-Delegation fragwürdig, und immerhin hatten sie der Sozialdemokratie im Osten das Genick gebrochen.

Das freilich vertieft Rudolf Steinhoff nicht weiter, der – ebenso wie sein Vater – im Glauben an den Sozialismus bestärkt wurde. Dass Letzterer oft die schützende Hand über seinen Jungen hielt, nur um ihn später zu ignorieren, ist tragisch – ebenso wie beider weiterer Lebensweg: Carl, der trotz seines politischen Endes in Wilhelmshorst immer noch Besuch von Ulbricht und Co. erhielt. Und Rudolf, der es bis zum Chef des Rostocker Klinikums brachte – und dann aus der Partei flog, weil er indirekt die Bedingungen in den DDR-Krankenhäusern kritisierte. Er emigrierte 1981 nach Österreich, kurz bevor sein Vater starb. „Wo Freiheitsglocken dröhnen, hält keine Mauer stand. Um Euer Werk zu krönen reicht, Brüder, Euch die Hand“, heißt es in einem Gedicht Carl Steinhoffs, von denen er viele in Wilhelmshorst geschrieben hatte. Wie er wirklich zur Freiheit stand – man weiß es nicht.

„Carl Steinhoff – die Biografie“, 19,95 Euro, ISBN: 978-3-360-01834-2. edition ost

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