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Ferienlager_Frauensee

© Julius Geiler/Julius Geiler

Update

„Die hatten körperliche und seelische Angst“: Elternsprecher schildert Rassismus gegen Berliner Schüler in Brandenburger Ferienlager

Mehr Details werden bekannt, wie bedrohlich die Situation in dem Brandenburger Ferienlager gewesen ist. Ein Elternsprecher berichtet.

| Update:

Wenige Tage nach mutmaßlich rassistischen Anfeindungen und Bedrohungen gegen Berliner Schülerinnen und Schüler in einem Ferienlager in Brandenburg stehen die Betroffenen noch immer unter Schock. „Es war ein traumatisierendes Erlebnis“, sagte Andreas Krause, Vorsitzender der Gesamtelternvertretung an der Berliner Lina-Morgenstern-Schule, am Mittwoch PNN und Tagesspiegel. Krause berichtet, dass sowohl die Jugendlichen als auch ihre Eltern sowie die Lehrerinnen und Lehrer sehr mitgenommen und verunsichert durch den Vorfall seien.  

Die rund 30 Schülerinnen und Schüler aus vier Klassen der Kreuzberger Schule waren am vergangenen Wochenende in das Ferienlager „KiEZ Frauensee“ in Heidesee (Kreis Dahme-Spreewald) gefahren. Die Zehntklässler, überwiegend mit Migrationshintergrund, wollten sich dort auf die bevorstehende Mathe-Prüfung für den Mittleren Schulabschluss vorbereiten. Eigentlich wollten sie bis Montag bleiben – doch die Reise wurde schon in der Nacht zum Sonntag abgebrochen. Sie sollen von einer Gruppe von Jugendlichen aus der Region, die in dem Camp einen 18. Geburtstag feierten, rassistisch beleidigt und bedroht worden sein.

„Unwohlsein noch einmal verstärkt“

Die teils vermummten und alkoholisierten Jugendlichen hätten sich vor die Unterkunft der Schülerinnen und Schüler gestellt und sie bedroht. Rassistische Beleidigungen seien gefallen. Das Haus sei überwiegend verglast, so Krause. Es habe nur schlechten Handyempfang gegeben. Einige der Betroffenen hätten versucht, ihre Eltern anzurufen. Doch es habe nur in der Nähe des Fensters Empfang gegeben – doch dort standen die Jugendlichen. Ein Lehrer habe die Polizei alarmiert. Die Beamten seien erst nach rund vierzig Minuten angerückt. „Die Schüler waren irritiert, warum das so lange dauerte.“ Teils wurden die Jugendlichen aus Berlin demnach mit Polizeischutz zum nächsten S-Bahnhof gebracht.

Ines Filohn, Sprecherin der für die Region zuständigen Polizeidirektion Süd, sagte PNN und Tagesspiegel, die Anreise der Polizisten habe weniger als 30 Minuten gedauert. „Die kamen in höchster Eile“. Es sei ein großer Landkreis.

Die beteiligten Eltern würden ihr Kind nicht nochmal ins nähere Umland fahren.

Andreas Krause, Vorsitzender der Gesamtelternvertretung an der Berliner Lina-Morgenstern-Schule

Schule reagiert mit Ruheraum und Krisentreffen

Krause sagte, auch in Berlin gebe es immer wieder rassistische Anfeindungen. Aber das, was die Schüler da erlebt hätten, habe das Unwohlsein noch einmal verstärkt. „Die hatten körperliche und seelische Angst“, so der 51-Jährige. „Die beteiligten Eltern würden ihr Kind nicht nochmal ins nähere Umland fahren“.

Am Donnerstag wollen sich Eltern, Lehrer, Schüler und Vertreter des schulpsychologischen Dienstes zu einem weiteren Krisengespräch treffen. Die Jugendlichen werden von Schulpsychologen betreut. Auch soll ein Ruheraum in der Schule eingerichtet werden, in den sich die Schülerinnen und Schüler zurückziehen können.

Der Staatsschutz hat die Ermittlungen wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Bedrohung übernommen. Noch im Laufe dieser Woche sollen die Schülerinnen und Schüler der Berliner Schule befragt werden. Auch Mitarbeitende aus dem Ferienlager und Gäste wollen die Beamten anhören. Erst dann wolle man die Jugendlichen aus der Region befragen. „Wir brauchen erst die nötigen konkreten Angaben, wer was gemacht haben soll“, sagte Filohn.

Beraterin: Kein „Jugendproblem“

Für Anne Brügmann, Beraterin bei der Opferperspektive Brandenburg, war der Vorfall „nicht überraschend“. „Wir haben seit den 90ern eine verfestigte rechte Szene in Brandenburg“, sagte sie PNN und Tagesspiegel am Mittwoch. In Beratungsgesprächen zeigten sich häufiger Ängste von Menschen mit Migrationshintergrund, die überlegten, in die Region zu ziehen. „Können wir uns da noch ein Haus kaufen?“ Doch es sei kein ländliches Problem, so Brügmann. „Auch in Potsdam und Berlin haben wir rassistische und rechtsfeindliche Übergriffe.“

„Wir haben seit den 90ern eine verfestigte rechte Szene in Brandenburg.

Anne Brügmann, Beraterin bei der Opferperspektive Brandenburg

Brügmann warnt davor, wegen der bekannt gewordenen Vorfälle an der Schule in Burg (Spreewald) und in Heidesee von einem „Jugendproblem“ zu sprechen. „Wir haben auch eine Vielzahl erwachsener Täter.“ Das mache den Großteil der gemeldeten Fälle aus. Rechtsextreme Einstellungen würden in den Familien weitergegeben. „Das sind die Kinder der Generation Baseballschlager-Jahre.“

Brandenburgs neuer Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) sagte am Mittwoch im Brandenburger Landtag, der Betreiber der Einrichtung habe richtig gehandelt. Das Ministerium stehe zur Verfügung. Das staatliche Schulamt wolle sich „an allen Aktivitäten, die hin zu Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit führen, selbstverständlich auch langfristig beteiligen“.

Die Gemeinde Heidesee wandte sich am Mittwoch mit einem weiteren Schreiben an die Öffentlichkeit. Man stehe mit der Leitung der Berliner Schule als auch mit dem Ferienlager „im engen Austausch“. Es gebe weder in der Verwaltung noch bei der Polizei Hinweise für eine aufkeimende oder gar bestehende organisierte rechte Szene in der Gemeinde Heidesee, so Bürgermeister Björn Langner (parteilos). „Wir bedauern diesen Einzelfall sehr und möchten nochmals betonen, dass wir jegliche Form von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus auf das Schärfte verurteilen und bieten in unserer Gemeinde keinen Platz dafür.“

Die Polizei rechnet bei ihren Ermittlungen unterdessen nicht mit schnellen Ergebnissen. „Die Zeugenbefragungen werden nicht in dieser Woche zum Abschluss kommen“, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Süd am Mittwoch. Die Berliner Polizei stelle ihre Ergebnisse zur Verfügung, aber auch Brandenburger Polizeibeamte unterstützten bei den Zeugenbefragungen in der Hauptstadt. Zu Details und zur Zahl der Verdächtigen machte der Sprecher am Mittwoch mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Angaben. (mit dpa)

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