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Potsdam-Mittelmark: Die Hebamme als Vorreiter

Brandenburgs Radwege sind gefragt, doch für den weiteren Ausbau gibt es kaum noch Geld. In Beelitz wurde Bilanz gezogen

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Beelitz – In Beelitz hat das Radeln Tradition: Stadthistoriker Manfred Fließ kann das mit einer Postkarte aus dem Jahre 1898 belegen. Darauf abgebildet ist eine Frau, die mit wehendem Rock auf einem Drahtesel durch die Stadt fährt. „Das war die damalige Hebamme Frau Zielicke“, erläutert er und setzt hinzu: „Sie war die erste Radfahrerin in Beelitz.“ Seit dem hat sich einiges getan, um das Radeln in der Spargelstadt leichter, ja sogar zum Erlebnis zu machen. Ausflügler durchradeln den Naturpark auf ausgeschilderten Wegen, Einwohner gleiten über Radwege von einem Ortsteil zum anderen, Pendler strampeln bis zum Bahnhof.

Und trotzdem gibt es noch viel zu tun, wie die Beelitzer gestern auf einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstrichen. Das hintersinnige Motto der Veranstaltung: „Ein Rädchen muss ins andere greifen.“ Um auch künftig Radler bei der Stange zu halten, müssen die Wege instand gehalten, verknüpft, vermarktet und erweitert werden. „Den Touristen geht es nicht nur um das Ziel: Sie wollen die Strecke erleben“, so Fließ, der in der Verwaltung auch für den Fremdenverkehr zuständig ist. Die Kommunen haben sich darauf eingestellt. Noch in diesem Jahr soll zum Beispiel eine Radlerstrecke zwischen den 31 Städten mit historischem Stadtkern ausgeschildert werden. Beelitz ist Mitglied der gleichnamigen AG.

Die Spargelstadt bekommt in den nächsten Jahren zwei neue Radwege vom Land bezuschusst: Von Zauchwitz nach Stangenhagen und von Rieben nach Dobbrikow. Einen dritten fordern die Bürger aus Fichtenwalde und Busendorf entlang der L 88: Schüler, Pendler und Spargeltouristen müssen zurzeit auf der Straße radeln und setzen sich damit einem hohen Risiko aus. „Denn wenn auf der Autobahn Stau ist, kommt der Blech-Tsunami hier entlang“, sagte der Fichtenwalder Reinhard Scheiper. Er präsentierte eine Liste mit über 1000 Unterschriften.

Jörg Vogelsänger (SPD), Landesminister für Infrastruktur und Landwirtschaft, räumte ein, dass künftig weniger Geld für neue Radwege zur Verfügung stünde. 2013 droht die Förderung des Bundes für den kommunalen Straßenbau auszulaufen – für Brandenburg sind dies immerhin 54 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kämen höhere Baukosten: Ein Kilometer Radweg koste mittlerweile 160 000 Euro. Auch die zum Teil zähen Verhandlungen mit Grundstückseigentümern würden den Ausbau erschweren. Mittlerweile habe die Mark aber mit insgesamt 3000 Kilometern Radweg einen guten Stand erreicht, sagte der Minister. „Die müssen erhalten werden, dafür wird der Neubau zurückgefahren“, so Vogelsänger. Und welche Strecken werden noch gebaut? „Die Landräte legen die Prioritäten fest“, sagte er in Richtung Fichtenwalde und Busendorf.

Wo die Prioritäten in der Mittelmark liegen, erläuterte Wirtschaftsförderin Eveline Vogel: Es gehe darum, Hauptachsen zu schaffen. Viele seien schon vorhanden, wie der Europaradweg R1 oder der Havelradweg. Dass der allerdings noch nicht fertig ist, unterstrich Kreistagsabgeordneter Hermann Bobka (CDU) mit Verweis auf den Abschnitt Phöben-Werder. Als Neubauprojekt nannte Vogel die Erweiterung der „Tour Brandenburg“ um eine Etappe durch den westlichen Landkreis. Die vorhandenen Strecken müssten gepflegt, zertifiziert und beworben werden.

Dass sich in Zukunft noch mehr Menschen aufs Rad schwingen, prognostizierte der Landeschef des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs Dirk Israel. 35 Prozent der Bürger würden bereits täglich radeln, 38 Prozent wollen das Rad künftig öfter nutzen. Ein Trend, der in Beelitz vor 112 Jahren mit einer radelnden Hebamme seinen Anfang nahm. Thomas Lähns

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