Potsdam-Mittelmark: Die Lehrlinge werden knapp
Weniger Bewerber, schlechtere Leistungen – Industrie und Handwerk der Region mit Nachwuchssorgen
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Potsdam-Mittelmark - Die Ausbeute war mager: Einen Lehrling konnte das Servicezentrum der Firma Miele im Herbst einstellen. In den Vorjahren gab es drei Lehrstellen pro Jahrgang bei dem Hausgerätehersteller in Werder (Havel). Der Leiter des Serviczentrums, Ralf Makowski, macht zwei traurige Beobachtungen: Die Zahl der Bewerbungen geht zurück, von bisher über 100 auf 60 im vorigen Jahr. Und die Qualität der Bewerber lässt nach. „Nach unseren Standards hätten wir seit zwei Jahren gar keinen Lehrling mehr nehmen können“, so Makowski. Der geforderte Notenschnitt von 2,5 werde kaum erreicht, bei Tests wissen selbst Abiturienten nicht, wer Ministerpräsident in Brandenburg ist. Und bei Einstellungsgesprächen wirken die Bewerber häufig eher „genervt“ als interessiert.
„Das Niveau der Schulabgänger nimmt stetig ab, in manchen Bewerbungen stehen nicht mal mehr vollständige Sätze“, sagt auch Ilona Richter, Einkaufsleiterin bei der Werder Feinkost GmbH. Zwei Ausbildungsplätze bietet der Traditionsbetrieb jährlich an, doch wie viele andere Unternehmen kann auch Werder Feinkost nicht mehr aus dem Vollen schöpfen: Der Geburtenknick der Wendezeit hat den ostdeutschen Ausbildungsmarkt erreicht, in diesem Jahr wird es 3500 Schulabgänger weniger im Land geben
Die Lehrlinge werden knapp. Dabei hätten die Unternehmen gerade jetzt den Nachwuchs bitter nötig, wie Wolfgang Spieß von der IHK Potsdam deutlich macht: Die Alterskurve in den Firmen geht drastisch nach oben, und die gute Konjunktur hat im vorigen Jahr für volle Auftragsbücher gesorgt. In der hiesigen Metall- und Elektribranche stieg die Zahl der Lehrstellen um satte 30 Prozent.
Schon jetzt stehen 1325 Angebote auf der Azubi-Plattform der IHK Potsdam im Internet, im vorigen Jahr waren es zu diesem Zeitpunkt die Hälfte, sagt Spieß. Wurden bei kaufmännischen Berufen bislang vornehmlich Leistungsträger und Abiturienten genommen, so wachse die Chance, nach der zehnten Klasse auch mit mittleren Leistungen eine Kaufmannslehre zu beginnen. Für wenig Begabte werde der Stellenwert der zweijährige Ausbildung wachsen – statt als „Fachkaufmann für Dialogmarketing“ wird man dann lediglich zur „Fachkraft“ eines Callcenters ausgebildet. „Jedenfalls kann sich kein Schüler mehr damit rausreden, dass er sowieso keine Lehrstelle bekommt“, sagt Spieß.
Ute Maciejok, Sprecherin der Handwerkskammer Potsdam, sieht es ähnlich. Auch in der Lehrstellenbörse der Hwk-Homepage werden schon über 120 Lehrstellen angeboten, voriges Jahr war sie zu diesem Zeitpunkt spärlich gefüllt. Stellen, die im Herbst nicht besetzt wurden, sind stehengeblieben. „Es mangelt an geeigneten Bewerbern“, sagt Maciejok. Gerade Anforderungen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich würden nicht erfüllt: Von den 25 Prozent der Lehrlinge die ihre Gesellenprüfung nicht bestehen, liegt es bei 90 Prozent an den theoretischen Grundkenntnissen. Konsequenz: Die Betriebe müssen bei den wenigen Leistungsträgern stärker für ihre Lehrplätze werben, Schüler früher mit den Anforderungen vertraut werden, ob bei Praktika oder bei den Schülertagen im Hwk-Bildungszentrum in Götz.
Im Schaltgerätewerk Werder ist man vielleicht schon einen Schritt weiter: Da die Zeugnisse nicht aussagekräftig erscheinen, werden Lehrlinge nur noch eingestellt, wenn sie ein Praktikum im Unternehmen absolviert haben.
Henry Klix, Thomas Lähns
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