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Äpfel en masse. Die Ernte war gut, doch noch immer sind zu viele Äpfel auf dem Markt. Das drückt die Preise für die Bauern, Hilfsprogramme zeigen noch keine Wirkung.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: Die missglückte Rettung

EU-Gelder sollten Werderaner Obstbauern beim Absatz ihrer Äpfel helfen – das Projekt scheiterte

Von Eva Schmid

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Werder (Havel) - Gut gemeint, aber völlig unpraktikabel. Das Urteil des Chefs des Berlin-Brandenburgischen Gartenbauverbandes ist vernichtend. Die EU-Hilfen, die auch Werderaner Obstbauern vor Monaten in Aussicht gestellt wurden,um Ausfälle bei der Apfelernte durch das Russland-Embargo abzufedern, haben nichts gebracht. Die Obstbauern aus der Region müssen sich weiterhin auf hohe Verluste einstellen, sagt Gartenbauverbands-Chef Andreas Jende.

„Der Aufwand, die Hilfen zu bekommen, steht in keinem Verhältnis zu dem Ergebnis“, so Jende. Zudem sei die Summe, die Deutschland von den europaweit zur Verfügung stehenden 146 Millionen Euro bekomme, verschwindend gering. Bis zum Jahresende könnten Obstbauern theoretisch noch Anträge stellen, in Brandenburg hat das bisher noch kein Erzeuger getan. Wie berichtet wollte die Europäische Union vermeiden, dass durch die Wirtschaftssanktionen der Russen Äpfel vernichtet werden müssen und stellte ein Hilfsprogramm auf. Das sah vor, Äpfel an Schulen, Kitas, Krankenhäuser oder Haftanstalten zu spenden. Pro gespendetem Kilo hätten die Obstbauern 17 Cent bekommen.

Dass das Hilfsprogramm aus Brüssel ein Flop war, gesteht sich auch mittlerweile das brandenburgische Agrarministerium ein. „Unser Resümee ist, dass es für die Betriebe viel zu bürokratisch ist“, sagte Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Die Erzeuger müssten selbst einen Abnehmer finden. Manche von ihnen müssten nachweisen, dass sie gemeinnützig tätig sind. „Zudem müssen die Einrichtungen belegen, dass sie nicht nur subventionierte Äpfel einkaufen“, sagt Schade. Würde beispielsweise die Tafel von einer Erzeugergemeinschaft zehn Tonnen abnehmen, müsste dies zusätzlich zum sonstigen Apfeleinkauf erfolgen. „Und dann gibt es noch das logistische Problem“, sagt Schade, also wie kommen die Äpfel vom Erzeuger zum Abnehmer. „Es klingt zwar gut, aber der Ärger liegt im Kleingedruckten.“ Das Geld von der EU decke die Kosten der Obstbauern aus der Region nicht. „Viele müssen den Gürtel noch enger schnallen“, so Schade – so manchem Betrieb könnte auch die Schließung drohen, befürchtet der Ministeriumssprecher.

Der Absatz verläuft derzeit schleppend. Das liege aber an dem normalen Weihnachtsknick, wie der Chef des Werderschen Obst- und Gartenbauvereines, Stefan Lindicke, sagt. Er ist bisher zufrieden gewesen mit dem Abverkauf. Der milde und sonnige Herbst habe gerade den Direktvermarktern noch mal viel Kundschaft auf die Höfe gebracht, „ bis in den November hinein hatten wir noch gutes Ausflugswetter.“ Für Lindicke gilt, dass auch schlechte Nachrichten etwas Positives mit sich bringen. „Die Kunden sind durch die Medien sensibilisiert worden, sie wissen; worum es geht.“ Lindicke sei aufgefallen, dass durch die Krise in der Obst- und Gemüsebranche Lebensmittel aus der Region wieder stärker in das Bewusstsein der Käufer gerückt seien.

Die Lager sind derweil prall gefüllt mit Äpfeln. Erste Prognosen für Brandenburg gehen von einer Apfelerntemenge von 25 600 Tonnen aus. Der Ertrag wäre damit um rund 33 Prozent höher als die Durchschnittserntemenge der vergangenen sechs Jahre. Und auch die Qualität der Äpfel stimmt dieses Jahr, so der Werderaner Obstbauer Lindicke. „Problematisch ist der Preis, den Erzeuger für ihr Obst bekommen.“ Wie hoch die Verluste auf seinem Hof ausfallen werden, konnte der Obstbauer noch nicht abschätzen. Bei Werder Frucht, wo Äpfel von vier bis fünf Werderaner Obstbauern an den Einzelhandel verkauft werden, rechne man bisher mit einem Drittel weniger an Umsatz im Vergleich zum vergangen Jahr.

Schon zum Saisonanfang sei der Preis für die Äpfel im Keller gewesen. „Für die Ketten muss prozentual ein Gewinn abfallen“, so Lindicke. Laut dem Werderaner Obstbauer hätten die Supermärkte den Erzeugern Preise unter 25 Cent für das Kilo angeboten. Auch die Konkurrenz zwischen deutschen Apfelanbauregionen sei enorm. Wenn die Erzeuger aus dem Havelland nicht die angebotenen Preise der Supermarktketten annehmen würden, dann ginge der Zuschlag an Obstbauern aus dem Alten Land oder vom Bodensee. Über das Verhalten des Einzelhandels in der Krisensituation klagt auch der Chef des Gartenbauverbandes: „Der Einzelhandel hat bis auf einige Ausnahmen mit Rabattaktionen versucht, die Preise stabil zu halten, dennoch bekommen die Erzeuger weniger.“

Die Situation bleibt weiter angespannt. Wie lange die Betriebe noch mit niedrigen Preisen für ihre angebauten Lebensmitteln rechnen müssen, sei unklar. „Wer weiß, ob das Embargo zur Ernte im kommenden Jahr beendet sein wird“, sagte der Gartenbauverbandschef. Das im August diesen Jahres verhängte Einfuhrverbot Russlands für Obst, Gemüse, Milch und Fleisch soll zunächst für ein Jahr gelten. Jende befürchtet, dass neben Äpfeln auch andere Obstsorten den Markt im kommenden Jahr überschwemmen werden. Er spricht von Kirschen, Pflaumen und Birnen. „Alles, was Polen nicht mehr an Russland absetzen kann.“ Um eine Schließung des Betriebs zu vermeiden, müsse jeder Erzeuger genau kalkulieren, mit welchen Kulturen er seine Kosten am besten decken kann.

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