Potsdam-Mittelmark: Die NPD und die „moderne SA“
Auf einer Kurage-Veranstaltung wurde in Werder über die Strategie der rechtsextremen Partei informiert
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Werder - Es war wohl eine der angenehmeren Veranstaltungen zum Thema „Die Strategie und Taktik der NPD und ihres neo-nazistischen Umfeldes“, zu der das Aktionsbündnis Brandenburg, das Moses-Mendelssohn-Zentrum (MMZ) Potsdam und Kurage am Dienstagabend nach Werder eingeladen hatten. Hier standen keine Neonazis vor der Tür und hielten Droh-Transparente hoch, hier saßen keine NPD-Mitglieder im Publikum und brüskierten die Zuhörer mit ihren Wortmeldungen.
Das sei nicht überall so. „Wer eine dicke Lippe riskiert, bekommt sie auch", war der Wortlaut eines der Banner, mit dem die NPD und ihre sogenannten „freien Kräfte“ kürzlich bei einer ähnlichen Veranstaltung in Königs Wusterhausen aufmarschiert waren. „Eine sehr bedrohliche Kulisse", erinnerte sich Werner Treß, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am MMZ. Bei einer weiteren Veranstaltung am Montagabend in Mühlenbeck waren NPD-Mitglieder im Publikum aufgetaucht und ergriffen das Wort. „Sie missbrauchen die Offenheit der Zivilgesellschaft für ihre Strategie.“
Seit Oktober finden überall im Land Diskussionsabende zum Thema „Rechtsextremismus in Brandenburg“ statt, als Rahmenprogramm zur Veröffentlichung des gleichnamigen Buches, an dem auch Werner Treß mitgeschrieben hat und in Vorbereitung auf die Kommunalwahlen im nächsten Jahr. Zu denen will auch die rechtsextreme NPD antreten. Wie deren Kampf um die Parlamente aussieht, habe man bereits in Berlin vor einem Jahr erleben können: Hier hatte es Angriffe auf Wahlkampfstände demokratischer Parteien und sogar mehrere Körperverletzungen gegeben. „Und dort, wo die NPD in Brandenburg stärker strukturiert ist, wird sich das ebenfalls zeigen“, so Treß.
Für die Region um Potsdam rechnete er den Rechtsextremen allerdings kaum Wahlerfolge aus, hier seien die bürgerlichen Kräfte sehr stark – und außerdem mangele es an „vorzeigbaren“ Kandidaten. Das habe die Mahnwache am 3. November in Werder gezeigt (PNN berichteten): Die zehn Neonazis, die aus anderen Orten angereist waren, wurden von den Werderanern „rechts liegen gelassen“. In anderen Landkreisen jedoch habe die NPD Mitglieder, die im Ort verwurzelt sind: Unternehmer, Angestellte, seriös wirkende Leute.
Unterstützung erhalte die NPD zunehmend von den „freien Kräften“: gewaltbereiten Rechtsradikalen, die aus mittlerweile verbotenen Kameradschaften kommen. „Das ist die moderne SA“, brachte es der Experte auf den Punkt. Sie sollen andere Parteien im Wahlkampf einschüchtern und logistische Hilfe für die eigenen Auftritte leisten, diese auch schützen. Es gebe mittlerweile parteinahe Sicherheitsdienste, einer davon ist der „Selbstschutz Sachsen-Anhalt“ – oder kurz: SS-SA. „Die 70 Leute in Königs Wusterhausen waren nicht alle NPD-Mitglieder, konnten aber innerhalb kurzer Zeit mobilisiert werden“, verdeutlichte Treß das enge Zusammenspiel.
In der anschließenden Diskussion am Dienstagabend in Werder ging es dann vorwiegend um die Ursachen: Arbeitslosigkeit, Politikverdrossenheit und Enttäuschung durch die demokratischen Parteien würden die Leute dazu bringen, ihr Wahlkreuz bei der NPD zu machen. Treß räumte ein, dass es auch 17 Jahre nach der Wende immer noch gravierende Probleme gebe, die endlich gelöst werden müssten „Aber das gibt doch niemandem das Recht, Nazis zu wählen.“ Dass die anderen Parteien versagt hätten, wollten die anwesenden Kommunalpolitiker nicht auf sich sitzen lassen: „Es wird immer über mangelnden Kontakt geklagt – aber zu den Veranstaltungen der Parteien kommen kaum Bürger“, so der Werderaner SPD-Chef Wolfgang Lambrecht.
Die Klagen über regelmäßige Diätenerhöhungen und die vermeintlich mangelnde Motivation „derer da oben“ – all das klang auch in den Ohren des Historikers zu sehr nach Rechtfertigung. Denn der hat immer auch die Jahre vor 1945 im Blick. Und so sah sich Treß zu der Bemerkung gezwungen, dass fünf Millionen Arbeitslose längst nicht so schlimm seien wie 55 Millionen Todesopfer. TL
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