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Potsdam-Mittelmark: Die Vision vom Wandel über Heilstätten

Baumkronenpfad soll Signal zur Entwicklung der Ruinen geben. Widerspruch gegen Fördermittel-Absage

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Beelitz – Die Natur hat ganze Arbeit geleistet: Im dritten Stock dessen, was einstmals eine Klinik war, ist ein dichter Wald gewachsen. Mauer- und Wurzelwerk haben zur Symbiose gefunden, wild wuchernd umfassen Pflanzen die Ruine von Sims bis Sockel. Zwischen Sträuchern stehen unter freiem Himmel zwei rostige Betten – die letzten Patienten haben vor fast 70 Jahren in ihnen gelegen. Seitdem eine Fliegerbombe am Ende des Zweiten Weltkrieges das Dach der Frauen-Lungenklinik in Beelitz-Heilstätten weggerissen hat, ist hier kaum ein Mensch mehr gewesen. Nach dem großen Knall kam die Stille – und der Wald begann, Einzug zu halten.

„Dieses Gebäude ist einmalig in ganz Deutschland“, schwärmt Georg Hoffmann, während er sich vorsichtig den Weg durch halbe Wände sucht. Der Projektentwickler hat die Vision, dass in naher Zukunft ein Jeder dieses morbide Dokument historischer Baukultur erleben kann – aus 25 Metern Höhe, von einem sicheren Weg aus. Denn genau hier soll der geplante Baumkronenpfad über Brandenburgs größtem Flächendenkmal entlang führen. Sechs solcher Hochwege gibt es in ganz Deutschland, vor allem im Süden der Republik. Sie alle erfreuen sich eines regen Zuspruchs: Bis zu 300 000 Gäste jährlich zählt zum Beispiel der Baumkronenpfad im thüringischen Hainich. Ein Panorama wie in Beelitz kann aber selbst er nicht bieten.

Für den Beelitzer „Wipfelpfad“ hat sich Hoffmann mit dem Eigentümer der Ruinen, dem Architekten Torsten Schmitz, zusammengetan. Auch das Planungsbüro Vollack, das den Hainicher Pfad gebaut hat, gehört zu den Gesellschaftern der „Heilstätten Park GmbH“. Das Projekt weckt neue Hoffnungen, dass es in diesem Abschnitt der um 1900 errichteten Heilstätten doch noch zum Wandel kommt. „Ich sehe, dass es funktionieren kann“, sagt zum Beispiel Thomas Wardin. Der frühere Beelitzer Bürgermeister hat seit 1994 versucht, Investoren zu gewinnen. Jetzt, da sie sich gefunden haben, steht er ihnen privat mit Rat zur Seite. Nach dem Abzug der Roten Armee, die das Areal als Lazarett genutzt hatte, versuchte sich der Unternehmer Roland Ernst an einer Nachnutzung. Nebenan, im B-Quadranten, ist ihm das gelungen: 500 Arbeitsplätze sind in den dortigen Kliniken entstanden. Doch Ernst verhob sich an anderen Projekten und musste Konkurs anmelden.

Mit ihrem Projekt treffen die neuen Investoren auf Zustimmung: Bei den Beelitzer Stadtverordneten, Tourismusverbänden, bei Natur- und Denkmalschutzbehörden. Nur das Brandenburgische Wirtschaftsministerium kann dem Konzept nichts abgewinnen: Einen Fördermittelantrag von Hoffmann und seinen Mitstreitern hat es abgelehnt (PNN berichteten). Knapp zehn Millionen Euro waren als Investitionssumme veranschlagt worden, dafür sollte nicht nur der erste 650 Meter lange Abschnitt des Wipfelpfades samt Aussichtsturm gebaut werden, auch die Hüllensanierung der alten Gemäuer stand auf der Agenda. Knapp 3,3 Millionen wollte man sich aus Potsdam bezuschussen lassen. „Das meiste davon sind EU-Mittel“, sagt Georg Hoffmann. Das Land selbst hätte lediglich 300 000 Euro tragen müssen, so seine Rechnung.

„Hätte man uns gesagt: Wir haben kein Geld, würde ich das akzeptieren – aber hier wurden völlig falsche Argumente ins Feld geführt“, so der Investor. Das Ministerium habe den Pfad als Sportstätte deklariert, was er nachweislich nicht sei. Auch die Aussage, dass ein Baumkronenpfad nur in einem Naturpark wirtschaftlich gedeihen könne, sorgt bei ihm für Kopfschütteln. Denn Beelitz-Heilstätten liegt im Naturpark Nuthe-Nieplitz. „Vielleicht meinte man einen Nationalpark. Aber auch das kann man doch nicht zur Voraussetzung machen“, so Hoffmann.

Die Investoren halten auch weiterhin an ihrem Projekt fest, und beim Streifzug durch die Ruinen-Landschaft wird ihr Enthusiasmus verständlich. Die verlassenen Gebäude sind zwar angeschlagen und vom Vandalismus gezeichnet, verloren sind sie aber noch nicht. Der Baumkronenpfad soll den nötigen Impuls für ihre Rettung geben: Die frühere Waschküche soll ein Restaurant werden, das große Bettenhaus gegenüber ein Hotel. Potenzielle Nutzer würden schon in den Startlöchern stehen, sagt Hoffmann, doch dafür müsse man mit dem Bau des Pfades anfangen. Die Park-Gesellschaft will gegen den Ablehnungsbescheid des Landes jetzt Widerspruch einlegen. Sollte auch das nicht helfen, müssten eben Abstriche gemacht werden, so Hoffmann: Den Weg könne man kürzer bauen und auf umfangreiche Gebäudesanierungen vorerst verzichten.

Die zum Teil zerstörte Frauen-Klinik soll indes ohnehin nur gesichert und in der jetzigen Form erhalten bleiben. So oder so wird sich der Wald hier weiter seinen Weg durch die Mauern suchen – wie er es schon seit fast 70 Jahren macht.

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