DasWAR“S: Dünne Luft und alte Schuhe
DasWAR“S Woran Peter Könnicke am 9. November denkt In unserer Redaktion wird überlegt, was wir zum 9.
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DasWAR“S Woran Peter Könnicke am 9. November denkt In unserer Redaktion wird überlegt, was wir zum 9. November bringen. Wer von den Akteuren der friedlichen Revolution vor 15 Jahren interviewt werden soll, welche Ereignisse des Mauerfalls reflektiert werden und was aus den Hoffnungen geworden ist? Was mich erschreckt hat, war die Zahl: 15 Jahre! Vor 15 Jahren konnte ich relativ lange schnell rennen und galt als DDR-Lauftalent. Im Wendeherbst rannte ich in einem braunen Trainingsanzug des Armeesportklubs „Vorwärts Potsdam“ durch den Wald von Kienbaum. Die Sportschule, in die wir regelmäßig zu Trainingslehrgängen fuhren, gibt es noch heute und die Zeitungen finden es interessant, dass es dort einen Trainingsraum gibt, in dem man Bedingungen wie in 2000 Meter Höhe simuliert hat. Die Kammer, so hieß das damals gut behütete Staatsgeheimnis, war durch eine Schleuse von der Außenwelt getrennt. Wir haben stundenlang auf Laufbändern trainiert und dabei Videos geguckt. Mein Lieblingsfilm war Ödipussi mit Loriot. Heute betrachtet war die Kammer wie die DDR: Die Luft wurde immer dünner, wir sind gerannt, ohne wirklich vorwärts zu kommen und zur Ablenkung gab es Westfernsehen. Damals war ich in diesen Tagen besonders motiviert, weil ich von meinem Trainer mein erstes Paar Adidas-Schuhe bekommen hatte. Die erste Nacht standen sie neben meinem Bett und ich glaubte, die drei Streifen leuchten im Dunkeln. Als ich sie zum ersten Mal anzog, meinte ich von selbst zu rennen. Am 10. November waren die Schuhe weg. In der Nacht als die Mauer fiel, hatte man mir in der Turnhalle der DDR-Sportschule Kienbaum mein erstes Paar Adidas geklaut. Als die ersten Trabbis auf den Ku“damm fuhren, saß ich nördlich von Berlin im Wald und hab“ geheult. Ein paar Tage danach drückte mir mein Trainer einen Karton mit einem neuen Paar Adidas in die Hand und meinte: „So schnell kann ich dir keine mehr besorgen.“ Kurze Zeit später war er weg - im Westen. Als ich kürzlich meinen Keller ausräumte, habe ich eine Kiste alter Laufschuhe entdeckt. Adidas! Ich konnte mich bislang nicht überwinden, sie wegzuwerfen, aber ich glaube, es ist Zeit. Mein alter Trainer lebt inzwischen in Amerika und trainiert erfolgreich afrikanische Läufer. Vor ein paar Tagen haben wir telefoniert. Er will einen dieser braunen Trainingsanzüge.
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