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Von Thomas Lähns: Ehrenrettung der neuen Spargelkönigin

Spargelanstich mit Cindy Demko / Kilopreis zurzeit bei knapp zehn Euro / Beelitz stimmt sich auf Jubiläumssaison ein

Stand:

Beelitz - Was haben Beelitz und Berlin gemeinsam? Beide werden jetzt von einer „Cindy“ repräsentiert. Der bissige Vergleich von Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) beim Spargelanstich sorgte gestern zumindest auf lokaler Ebene für Einspruch: „Ein paar wesentliche Unterschiede zwischen den beiden gibt es schon“, unterstrich Bürgermeister Bernhard Knuth (BBB) zur Ehrenrettung seiner Spargelkönigin. Auf der einen Seite die rosarote, kodderschnäuzige Proll-Diva „Cindy aus Marzahn“, auf der anderen die liebreizende und grazile Spargelhoheit Cindy Demko – der Vergleich hinkt tatsächlich. Und ob ein Mädel aus der Großstadt so viel Einsatz bei der ersten offiziellen Ernte des Stangengemüses gezeigt hätte, auch das ist zu bezweifeln.

Mit Bravours erledigte die 23-Jährige ihre erste Amtshandlung zusammen mit Minister, Landrat und Spargelbauern auf einem Feld bei Birkhorst. Mit dem traditionellen Anstich ist der Startschuss für die Ernte der Beelitzer Stangen gefallen: In den kommenden Monaten bis zum 24. Juni werden wieder überall in der Region insgesamt 2000 Saisonarbeiter und deutsche Arbeitskräfte auf die Felder ausschwärmen, um das Edelgemüse zu stechen. Mit einer Anbaufläche von mittlerweile über 1100 Hektar insgesamt ist die Beelitzer Region das größte Spargebaugebiet Brandenburgs. Und so wurde im vergangenen Jahr über die Hälfte des märkischen Gesamtertrages von knapp 13 000 Tonnen hier von den Feldern geholt.

Für dieses Jahr hoffen die insgesamt 16 größeren Anbaubetriebe in der Region auf noch bessere Erträge. Die Witterungs-Voraussetzungen bislang seien gut gewesen, so Spargelbauer Josef Jakobs gegenüber den PNN. Alles Weitere müsse das Wetter in den kommenden Wochen mit sich bringen. Auf seinem Hof in Schäpe werde schon seit einer Woche geerntet, der Kilo-Preis für den besten Spargel liegt zurzeit bei knapp zehn Euro. „Das wird sich noch bis nach Ostern halten, dann wird es günstiger“, versprach Jakobs, der zusammen mit seinem Bruder Jürgen den Spargelanstich ausrichtete. Die beiden haben mit dazu beigetragen, dass das Edelgemüse nach der Wende eine sagenhafte Renaissance erlebte – denn in der DDR wurde nur noch privat angebaut. Josef Jakobs war 1996 aus dem Rheinland nach Schäpe gekommen und hat hier einen Vierseithof übernommen. Heute, im 15. Jahr, baut er den Spargel auf 150 Hektar an. Jürgen Jakobs hat seinen Hof an der B 2 vor zehn Jahren eröffnet. Wie die meisten ihrer Kollegen haben die Jakobs-Brüder ihre Landwirtschaftsbetriebe um den Erlebnisfaktor ergänzt: Allein am Beelitzer Standort ist jetzt an jedem Wochenende wieder etwas los. Zu frischen Spargelgerichten gibt es Live-Musik und Showprogramm.

Die Beelitzer Tradition reicht aber noch weiter als bis zur Wende zurück: 150 Jahre ist es her, dass der Beelitzer Glasermeister und Ackerbürger Karl Friedrich Wilhelm Herrmann den ersten Spargel feldmäßig angebaut hatte. „Sein Acker befand sich fast mitten in der Stadt, in der heutigen Hermann-Löns-Straße“, erläuterte Bürgermeister Knuth seine jüngsten Erkenntnisse. Er sei froh, dass Beelitz mit dem Spargel nun wieder in aller Munde sein wird. Warum das Stangengemüse so beliebt ist, erklärte der Vorsitzende des Spargelbauvereins Manfred Schmidt: Seit 1908, als die erste Absatzgemeinschaft – damals noch mit 250 Bauern – gegründet wurde, unterwerfen sich die Spargelbaubetriebe einheitlichen Qualitätsstandards. Zwar hätten damals noch einige Bauern mit Tricks gearbeitet – indem sie zerbrochene Stangen zum Beispiel mit Streichhölzern reparierten – doch unterm Strich habe man besonders die Berliner überzeugen können, dass der Beelitzer Spargel der beste ist, so Schmidt.

Und dazu gehört eine würdige Repräsentantin. Cindy Demko zeigte sich gestern nicht nur erstmals im königlichen Kleid, sondern durfte auch das neue Spargelcollier anlegen. Die Diamanten stammen tatsächlich aus dem Edelgemüse: Unter Anleitung des Seddiner Professors Heiner Vollstädt wurde dafür Spargel getrocknet, in einem Spezialofen zu Kohlenstoff und anschließend zu Graphit umgewandelt, und schließlich unter enormem Druck gepresst. Echte Diamanten statt Modeschmuck – ein weiterer Unterschied zur „Marzahner“ Cindy.

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