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Potsdam-Mittelmark: Ein Buch – eine Gemeinde

Sieben Michendorfer Ortschronisten haben einen Bildband erstellt. Und gezeigt, wie man sich einig wird

Michendorf - Es ist kaum noch etwas übrig geblieben von der Carzow-Mühle in Langerwisch. Wo sich jahrhundertelang inmitten goldgelber Getreidefelder die Flügel drehten, steht heute nur noch der morsche Bock. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Bauwerk enorm wichtig für die Versorgung der Langerwischer, weiß Ortschronist Johannes Nest. Doch nach ihrer Stilllegung 1955 verfiel die Mühle, bis ein Sturm vor elf Jahren sie endgültig hinwegfegte. Nest hat den schleichenden Niedergang anhand alter Fotos dokumentiert. Für ihn ist die Mühle der Carzows einer der „verlorenen Schätze“ seines Dorfes.

Von solchen Verlusten wissen auch Nests Kollegen aus den anderen Michendorfer Ortsteilen zu berichten: von den längst verwilderten Irissee-Terrassen in Wilhelmshorst, dem 1945 niedergebrannten Gutshaus in Stücken oder der verschwundenen Ziegelei in Wildenbruch. Die insgesamt sieben Heimathistoriker haben zusammen einen Bildband über die Gemeinde Michendorf erstellt und jetzt veröffentlicht. Darin haben sie alte Fotografien und Bilder aus heutigen Tagen gegenübergestellt, um so die Entwicklung ihrer Orte zu veranschaulichen. Dabei wird deutlich: Die meisten Michendorfer Schätze sind alles andere als verloren, sondern mittlerweile aufwendig rekonstruiert worden. Dazu gehören die Kirchen und Schulhäuser, aber auch Bauerngehöfte, Kneipen und Wohnhäuser.

„Es war gar nicht so einfach, alle Orte unter einen Hut – oder in ein Buch – zu bringen“, sagte Fresdorfs Ortschronist Bernd Herrmann bei der Vorstellung des Bandes in Michendorf. Denn in Alter, Siedlungsstruktur und Geschichte sind die sechs Ortsteile so unterschiedlich, wie sie nur sein können: Die erst vor 105 Jahren von Berlinern gegründete Waldgemeinde Wilhelmshorst. Das 725-jährige Doppeldorf Langerwisch, das vom Mittelgraben geteilt wird. Das urbäuerliche Fresdorf, dass sich in den letzten 300 Jahren kaum verändert hat. Wildenbruch, das über einen Golfplatz und eigene Gemeindeteile verfügt. Stücken, in dem das gesellschaftliche Leben blüht. Und natürlich die „Metropole“ Michendorf, die sich eigentlich als Stadt fühlt, wie Herrmann mit Augenzwinkern erklärte. Diese Vielseitigkeit sei heute die Stärke der Gemeinde.

Die alten Bilder aufzutreiben war indes nicht einfach. Zwar hatte es in Wildenbruch schon mal eine Ausstellung mit alten Fotos gegeben, aber die waren für den Druck nicht gut genug, berichtete Chronistin Sabine Melior. Ihr Stückener Kollege Dirk Hase ist gleich mit Notebook und Scanner von Haus zu Haus gepilgert, um vor Ort die fotografischen Funde seiner Nachbarn zu digitalisieren. „Wir haben gelacht und selbst viel gelernt“, blickte Michendorfs Chronistin Irene Schmidt auf die gemeinsamen Treffen zurück. Spannend seien auch die Geschichten der Leute zu den Bildern gewesen, so ihr Kollege Richard Wolfgang Weber. Sogar Dokumente seien ihm übergeben worden, erzählte der Michendorfer. „Wenn jemand etwas zu Hause findet: Immer her damit. Wir wissen etwas damit anzufangen.“

Was die sieben Chronisten mit ihren Recherchen zutage gefördert haben, sind fast kunstvolle Aufnahmen: eine Hochzeitsgesellschaft in Frack und Zylinder, die 1935 an der Michendorfer Kirche vorbeischreitet. Ein Blick um 1930 vom Fresdorfer Mühlenberg, der wie ein Gemälde wirkt. Und man erfährt Altes neu: Zum Beispiel, dass der Michendorfer Schlecker-Markt früher ein Bäcker war. Oder dass die Saarmunder Straße einst als Hauptmagistrale der Gemeinde galt. Oder dass die Stückener schon seit den 1920ern auf Bärenjagd gehen – jedes Jahr beim Zempern. Die Fotos sind nach Kapiteln geordnet, jedes wird mit einem Luftbild des jeweiligen Ortes vom Potsdamer Fotografen Lutz Hannemann eingeleitet.

Das Buch ist nicht zufällig dieser Tage erschienen: Vor 20 Jahren, im Mai 1992, war das Amt Michendorf gegründet worden, wie der Wilhelmshorster Historiker Rainer Paetau erinnerte. Er hat das Buch-Projekt koordiniert – und damit ein greifbares Beispiel Michendorfer Eintracht in der vor neun Jahren zwangsfusionierten Großgemeinde geliefert. „Michendorf ist auf einem guten Weg der Erneuerung“, bilanzierte er.

Das 120 Seiten starke Buch ist für 15 Euro in den Michendorfer Läden erhältlich.

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