Von Thomas Lähns: Ein Esel mit Geschmack
In Werder gibt es jetzt eine Tapas-Bar. Für Manfred Reidt ist es nicht das erste Projekt in der Region
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Werder (Havel) - Manfred Reidt hat es wieder getan: Der aus Berlin stammende Gastronom hat ein neues Lokal in der Region eröffnet, dieses Mal in Werder. In der Tapas-Bar „Mi Borriquito“ können die Blütenstädter seit kurzem südländisches Flair genießen. Zu spanischem Wein, Sherry oder Brandy werden hier, in der Michaelisstraße 13, die berühmten kleinen Häppchen serviert, um deren Herkunft sich diverse Legenden ranken.
Der 68-Jährige Reidt startet mit seiner Geschäftsidee noch einmal durch. Seit er 1968 als Student in Berlin seine erste Kneipe eröffnet hat, verfolgt er einen eigenen unregelmäßigen Rhythmus: Immer wieder baut er Lokale und Restaurants auf, etabliert sie bei den Kunden – um sie dann zu verkaufen oder an Mitarbeiter abzugeben. „Irgendwann wird es mir einfach langweilig“, erklärt er achselzuckend.
Bis vor wenigen Monaten befand sich in dem kleinen Haus mitten auf der Insel noch ein Café. Wo einem früher der Geruch von gerösteten Bohnen und Kuchen in die Nase stieg, duftet es heute nach Schinken, der in großen Keulen von der Decke hängt, und leicht Gebratenem. Den Großteil des Interieurs haben Manfred Reidt und seine Frau Christina übernommen, einiges stammt sogar noch aus der Kaiserzeit. Aufgepeppt haben Reidts die Räume mit neuem Parkett und Bildern von Salvador Dali.
Wieder ist es nichts geworden mit dem Ruhestand, den Manfred Reidt eigentlich schon vor fünf Jahren geplant hatte. Damals war ihm ein ähnliches Herzensprojekt in die Quere gekommen: Die Weinschmiede in Fresdorf mit ihrem rustikalen Charme hatte es ihm angetan. Reidt bekniete den Eigentümer, ihm das Kleinod zu verkaufen. Er nahm einige kosmetische Änderungen an dem Häuschen aus dem 18. Jahrhundert vor und lockte neue Kunden mit der Kombination von Pfälzer Weinen und Märkischem Schmiedefeuer. Vor zwei Jahren verkaufte er das Lokal. „Ich hatte mir gesagt: Nun ist endgültig Schluss – aber es ging nicht“, erzählt Reidt.
Denn nach unzähligen Urlaubsreisen ins nordspanische Katalonien blieb noch ein Traum offen: Selbst eine Bar zu betreiben, in der man wie in Barcelona schmackhafte aber leichte Küche in lockerer Atmosphäre genießen und sich vor allem Zeit lassen kann. „Wo gibt es denn noch Lokale, in denen man sich länger aufhält?“, fragt der Gastronom. Im Restaurant isst man und geht danach wieder. Und in der guten alten Kneipe – wenn man überhaupt noch eine findet – entsteht doch oft der Eindruck einer geschlossenen Gesellschaft von Stammgästen. Reidt will seine Kunden länger hier behalten, sie sollen sich auf einen Plausch treffen, etwas Trinken und dazu Tapas genießen – ganz wie es auf der iberischen Halbinsel gang und gäbe ist. Es soll aber auch weiterhin Kuchen und Torten geben, „soviel sind wir der Tradition dieses Hauses und seiner Eigentümerin schuldig“, sagt der Wirt.
Zur Tapas-Tradition kennt Manfred Reidt zwei Entstehungsgeschichten: Nach der ersten soll König Phillipp II von Spanien (1527-1598) verfügt haben, dass jeder Soldat zu seinem Wein Brot essen muss, um den Alkoholpegel niedrig zu halten. Nach der zweiten Variante haben die Wirte irgendwann angefangen, kleine Brote als Schutz vor Insekten auf die Weingläser zu legen. Später wurden diese belegt und um kleine Gerichte erweitert. Tapas bedeutet „Deckelchen“, was für die zweite Geschichte spricht.
Manfred Reidt sieht sein Lokal übrigens nicht in der Tradition Spaniens, sondern explizit in der Kataloniens. In der Region zwischen Costa Brava und Südfrankreich gibt es eine starke separatistische Bewegung, deren Symbol der Esel ist – als Gegenstück zum spanischem Stier. „Mi Borriquito“ heißt dementsprechend „Mein Eselchen“. Ein passender Name für Manfred Reidts Lokal – solange er nicht doch wieder umsattelt.
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