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Beelitz: Ein Film fürs Leben

In den Beelitzer Heilstätten wird ein Weltkriegsdrama von Oscar-Preisträger Pepe Danquart gedreht.

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Beelitz - Von den Wänden des Krankenhausflurs bröckelt der Putz. Kugelförmige Lampen werfen ein schummeriges Licht und die wabenförmigen, grün-weißen Fliesen glänzen speckig. Ein kleiner Junge kommt auf den Flur gerannt. Ein groß gewachsener Mann begleitet ihn, beide wirken panisch. Der Junge trägt nichts weiter als ein weißes Baumwollhemdchen, sein rechter Arm fehlt. „Ja, so machen wir es“, hallt die Stimme von Regisseur Pepe Danquart durch den hohen Raum. Er ist zufrieden mit der Probe. Seinem Kameramann, der auf einem Wagen vor den Akteuren herfährt, klopft er zufrieden auf die Schulter.

Die Szene gehört zu dem Film „Lauf, Junge, lauf“, den Oscar-Preisträger Danquart derzeit in den ehemaligen Beelitzer Heilstätten dreht. Am 21. August fiel in der Prignitz die erste Klappe für das emotionale Drama, das eine wahre Geschichte in Zeiten des Zweiten Weltkriegs erzählt. Gedreht wird auch in Sachsen-Anhalt, Hessen, Bayern und Polen. 50 Drehtage sind anvisiert, bis Dezember will Danquart alles im Kasten haben. „Das Budget beträgt 5,8 Millionen Euro“, sagt Produzentin Susa Kusche von bittersuess pictures aus Berlin. „Kinostart soll im Herbst 2013 sein.“

Den morbiden Charme der Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Lungenheilanstalt in Beelitz-Heilstätten hätte wohl kein Kulissenbauer besser arrangieren können. Bis zum heutigen Freitag hat die Crew um Danquart, der auch Mitproduzent ist, das Gelände noch in Beschlag. Ein beeindruckendes Gebäudeensemble, das seit mehr als zwei Jahrzehnten teilweise verrottet und für die deutsch-französische Koproduktion noch einmal zum Krankenhaus wird. „Es ist ein Trauerspiel wie das alles verkommt“, sagt Danquart. „Vielleicht sind wir die Letzten, die es festhalten.“

Der Junge vom Krankenhausflur ist die Filmfigur Jurek. Kaum neun Jahre alt flieht er 1942 aus dem Warschauer Ghetto. Er muss sich durchschlagen – allein. Die meiste Zeit lebt er im Wald. Er begegnet Menschen, die ihm helfen und solche, die ihn verraten. Jurek, gespielt von dem elfjährigen Andy Tkacz und seinem Zwillingsbruder Kamil, verliert bei Arbeiten auf einem Gutshof einen Arm. „Das ist die schwierigste Szene für mich“, sagt Andy mit den großen, braunen Augen schüchtern. Er kommt aus Polen, eine Dolmetscherin hilft ihm. Nach Drehschluss setzt er sich am liebsten ans Klavier und spielt Chopin - oder macht Hausaufgaben.

Den Stoff für den Kinofilm liefert das wahre Leben. Der heute fast 80-jährige Yoram Fridman hat erlebt, was Andy und Kamil spielen. Er floh aus dem Ghetto und überlebte nur, weil er seine jüdische Identität aufgab und aus ihm ein katholisches Waisenkind wurde. Der Verlust seines rechtes Arms erinnert ihn bis heute an die Zeit in den Wäldern, in der er Schnecken und Schlangen essen musste. Der Roman „Lauf, Junge, lauf“ von Uri Orlev bildet die Grundlage für den Film, das Drehbuch schrieb Heinrich Hadding, bekannt unter anderem durch „Die Päpstin“. In der Vorbereitung auf den Film besuchte Danquart Fridmann mehrmals in Israel. Für die Impulse aus diesen Besuchen ist er dankbar. „Ich mache einen Film fürs Leben“, sagt der 57-Jährige. „Es ist eine Ode auf die Menschlichkeit.“ In ein paar Wochen werden die Nachwuchsschauspieler Andy und Kamil bei Dreharbeiten in Bayern jenen Mann treffen, dessen harter Kindheit sie ein Gesicht geben. Sabrina Gorges

Sabrina Gorges

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