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Kampf ums Überleben, doch auf Unterstützung hoffen darf das Scala-Kino in Werder dabei kaum.

© Andreas Klaer

Von Henry Klix: „Ein gutes Programm“

Werders Kinobetreiber kritisiert Vergabepraxis des Kino-Programmpreises – vom Wenigen bleibt für märkische Kinos wenig hängen

Stand:

Berlin / Werder (Havel) - Bislang hat sich Knut Steenwerth immer brav beworben – Jahr für Jahr, immer erfolglos. Wenn das Medienboard Berlin-Brandenburg heute in der Hauptstadt den Kinoprogrammpreis verleiht, wird das Scala-Kino in Werder nicht mehr unter den Bewerbern sein. Als anspruchsvolles Kleinstadtkino, dass zeitweise um seine Existenz bangen muss, passt es an sich genau ins Schema des Preises, mit dem laut Selbstdarstellung „Begeisterung, Leidenschaft, Durchhaltevermögen und Engagement der Kinobetreiber“ ausgezeichnet werden. Doch bis auf einen „Trostpreis“ von 2500 Euro vor drei Jahren – ein Drittel des Preisgeldes – ist Steenwerth stets leer ausgegangen, und poliert inzwischen die Klinken im städtischen Rathaus.

Werders Kino hängt seit Jahren am seidenen Faden, Steenwerth hat schon all seine Ersparnisse in den traditionsreichen Standort gesteckt, seitdem er ihn vor fünf Jahren übernommen hat. Und er hat neben der „Grundversorgung“ des großen Publikums immer auch in zwei Kinoreihen auf anspruchsvolle Unterhaltung gesetzt. Dabei nehmen die Verleiher selten Rücksicht auf die Belange kleiner Kinosäle mit nur einer Bildwand – Steenwerth muss Mindestlaufzeiten einhalten, Garantiezahlungen leisten und um manche Kopie wochenlang kämpfen. Das Programm sei nicht herausragend, wie er einräumt. „Werden jedoch die Schwierigkeiten berücksichtigt, so ist es ein gutes Programm.“ Und trotzdem hat es mit dem Kinoprogrammpreis nie geklappt.

Klar, wenn sich über 60 Kinos um 26 Preisgelder aus einem 210 000 Euro kleinen Topf bewerben, müssen einige leer ausgehen. Doch Steenwerth ärgert, wie das vonstatten geht. Die Preisvergabe sei „mit Fehlern behaftet“, das Geld werde nach „undurchsichtigen Kriterien“ vergeben, schreibt er in einem Brandbrief an das Medienboard. Die Zusammensetzung der Jury sei im vergangenen Jahr nur von der Moderatorin der Preisgala zu erfahren gewesen. Vergaberichtlinien gäbe es nicht, Ausschreibungskriterien würden nicht eingehalten. Die Preisträger seien in jedem Jahr dieselben: ob Thalia in Babelsberg oder Bali in Berlin-Zehlendorf. Das Berliner Dokumentkino habe zum Zeitpunkt der Preisverleihung 2006 nicht mal mehr existiert. Teilweise seien, wie das Regenbogenkino in Kreuzberg, gemeinnützige Vereine unter den Preisträgern, im Fall des Cottbuser Obenkino sogar ein städtischer Eigenbetrieb, wo eigentlich nur gewerbliche Kinos teilnehmen dürften. „Ein Schlag ins Gesicht der privaten Betreiber, die mit Engagement und persönlichem Risiko ein anspruchsvolles Programm in der Provinz ermöglichen“, meint der Scala-Inhaber.

Und noch etwas ärgert Steenwerth, der selbst seit Jahren auch im Berliner Kinogeschäft tätig ist. Obwohl das Medienboard von Berlin und Brandenburg gemeinsam finanziert wird, sind die Preisgelder seit drei Jahren zu 70 Prozent für die Hauptstadt reserviert, vorher sah es sogar noch dürftiger für die Mark aus. Seit der Einführung des Preises im Jahr 1999 gingen 240 500 Euro nach Brandenburg und 1,27 Millionen Euro nach Berlin. Steenwerth schüttelt den Kopf: „Betrachtet man den reinen Fördereffekt, so entspricht ein Programmpreis beim Scala dem Umsatz von etwa zwei Monaten, bei einem Berliner Erstaufführungshaus von etwa zwei Tagen.“

Wie also weiter? Während in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg Kinoinvestitionen durch das Land gefördert werden, ist in Berlin und Brandenburg der Kinoprogrammpreis das wichtigste Förderinstrument für kleine Einzelhäuser. 210 000 Euro – abgesehen von den fragwürdigen erscheinenden Vergabemodalitäten ist es bei einem Förderbudget des Medienboards von 30 Millionen nicht viel, was für die Kinos übrig bleibt – erst Recht für die märkischen.

Vom Medienboard war gestern keine Stellungnahme zu bekommen. Im politischen Raum scheint ein Umdenken zu beginnen, seitdem das DIW Berlin für das Medienboard im März eine Studie zur Kinosituation der beiden Länder vorgelegt hat. Selbst die zinslosen Darlehen der Bundes-Filmförderungsanstalt FFA können demnach nur von wenigen Kinos mit dem nötigen 50-prozentigen Eigenanteil gegenfinanziert werden. Dabei steht die digitale Projektion mit hohen Investitionskosten bevor, kleine Kinos drohen unter die Räder zu kommen – erst Recht in Brandenburg. „Man kann natürlich kein Kino ohne Zuschauer fördern, aber gerade in den mittleren Städten Brandenburgs müssen die Kinos erhalten werden“, sagt der medienpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Wieland Niekisch, der eine bessere Kinoförderung als „wachsende Notwendigkeit“ betrachtet. Immerhin: Das Medienboard will in diesem Jahr einen „Kinobeauftragten“ einführen.

Eine Einheitslösung für Berlin-Brandenburg, meint Niekisch, kann es kaum geben. Berlin ist mit 98 Kinos, was die Filmtheaterdichte pro Einwohner angeht, an der Spitze und Brandenburg mit 63 Kinos im unteren Drittel aller Bundesländer. Ähnlich sieht es bei den Kinobesuchen pro Jahr aus: 2,8 in Berlin und 1,1 in Brandenburg, der Schnitt ist 1,5. Als Gründe der märkischen Zurückhaltung konstatiert die Kinostudie „die relativ geringe Filmtheaterdichte und die verkehrsstrukturellen Gegebenheiten“. Für Scala-Betreiber Steenwerth trifft die Aussage ins Schwarze: Die Kinoförderung erlebt er als Kehrseite der erfolgreichen deutschen Filmförderung. Und was Brandenburg angeht, sei es „eine Schande, wie viel Geld in Filmproduktionen gesteckt wird und wie wenig in die kleinen Orte, wo die Filme auch gezeigt werden sollten“.

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