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Altanschließer: Ein Problem, fünf Lösungen
Die Rechtsprechung, Altanschließer komplett an den Investitionen seit der Einheit zu beteiligen, hat in Werder (Havel) zu weiteren Gerichtsverfahren geführt. Aber es gab in den letzten Jahren auch andere Ideen.
Stand:
Potsdam-Mittelmark - Im Bereich des Wasser- und Abwasserverbandes (WAZV) Werder-Havelland haben 321 Altanschließer gegen ihre Bescheide Widerspruch und 45 Klage eingereicht. Diese Zahlen nannte WAZV-Geschäftsführerin Bärbel Gärtner gegenüber den PNN. 321 Unzufriedene sind mehr als die Hälfte der 608 Altanschließer im Verbandsgebiet, in dem 7390 Haushalte und damit 78 Prozent angeschlossen sind.
Das Problem der Altanschließer dürfte die Brandenburger Justiz noch über Jahre beschäftigen – trotz aufklärender Rundschreiben des Innenministeriums, trotz eines Urteils des Landesverfassungsgerichtes im September 2012. Dessen Quintessenz: Es sei verfassungsgemäß, auch jene an Nachwende-Investitionen zu beteiligen, die teilweise vor dem Zweiten Weltkrieg, teilweise in der DDR an die zentrale Abwasserversorgung angeschlossen wurden. Einige Grundeigentümer bringt es an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, beim Abwasser noch stärker als beim Trinkwasser. Aber nicht überall gibt es Klagen – die PNN beleuchten Modelle, wie Altanschließer in Brandenburg zur Kasse gebeten werden.
Werder – gleicher Beitrag für alle
Ob alt, ob neu - 2,99 Euro pro Quadratmeter anrechenbarer Fläche müssen alle beim WAZV Angeschlossenen zahlen. Zu einer geringeren Gebühr, einer Art Bonus für Altanschließer, haben sich die Verbandsvertreter nicht durchgerungen. Geschäftsführerin Bärbel Gärtner begründet dies mit hohen Investitionen in der Vergangenheit und einem geringen Altanschließergrad. Dank des zusätzlich eingenommenen Geldes sank die Gebühr für den Kubikmeter Abwasser - zuletzt auf 2 Euro.
Nieplitz – 1,03 Euro Unterschied
1,35 Euro pro Quadratmeter für Altanschließer in Beelitz und Neuseddin, 2,38 Euro für die anderen im Gebiet des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Nieplitz: Ein Drittel der Bescheide für 830 Altanschließer ist verschickt und rechtskräftig, teilweise nach Widersprüchen, so Geschäftsführer Karl-Heinz Brügmann. Der differenzierte Beitrag sei fair, denn der wirtschaftliche Vorteil der Altanschließer sei nicht so groß einzuschätzen wie der der anderen. Außerdem würden die alten Anlagen weiter genutzt. Brügmann betont, es sei die souveräne Entscheidung jedes Verbandes, nach den jeweiligen Gegebenheiten eine Lösung zu finden.
Rheinsberg – Alles auf Anfang
Ganz anders macht es Rheinsberg: 6,1 Millionen Euro hat die Stadt im Jahr 2011 an Anschlussgebühren zurückgezahlt – für 2 800 Grundstücke, die seit der Wende ans Kanalnetz gekommen sind. Dafür hat der städtische Eigenbetrieb einen Kredit aufgenommen. Alle Kosten werden nun über die Verbrauchsgebühr gedeckt, die um 50 Cent stieg und jetzt bei 3,93 Euro pro Kubikmeter liegt. Die Grundgebühr liegt bei 79 Euro. Ein weiteres Hindernis meisterten die Rheinsberger: Kreditaufnahmen sind nur für Investitionen zulässig. Die Kommunalaufsicht kenne die Wirtschaftlichkeitsaussichten und habe zugestimmt, sagte Betriebsleiterin Anke Freitag – die Anlagen sind ja da. Von der Regelung profitierten Altanschließer wie Wohnungsbaugesellschaften, denen eine Zahlung erspart blieb. Dafür zahlen die Mieter letztlich alles über die Betriebskosten, können selbst aber nicht klagen. Ungerecht findet Freitag Letzteres nicht, schließlich nutzen die Mieter auch die Entwässerung.
Eberswalde – zu früh gehandelt?
Rückzahlung und Kreditaufnahme, das war auch mal eine Option in Eberswalde. 2004, als das Problem aufkam und der Zweckverband reagierte, gab es den heutigen Diskussionsstand nicht. Das Kreditmodell hatte Gegner – auch bei der Kommunalaufsicht. Deshalb wurde die Umstellung auf eine reine Mengengebühr beschlossen. Wer Anschlussgebühren zahlte, dem werden aus Billigkeitsgründen etwa 50 Prozent der Mengengebühr erlassen – quasi eine Rückzahlung. Dennoch: Vor dem OVG ist eine Normenkontrollklage anhängig.
Zehdenick – gescheiterter Sonderweg
Die Stadt Zehdenick wollte die Abwasserentsorgung privatwirtschaftlich regeln und schrieb europaweit eine Abwasserkonzession aus. Im August 2012 aber stoppte das Oberlandesgericht Brandenburg (Havel) das Vergabeverfahren. Das Unternehmen Veolia Wasser hatte Beschwerde eingelegt. Das Gericht urteilte, dass eine eigenverantwortliche Entgelterhebung durch Dritte nicht mit dem Gesetz vereinbar wäre – anders als im Bereich der Trinkwasserversorgung. Wäre Zehdenicks Weg erfolgreich, hätte ein neuer Betreiber eine Anlage vorgefunden und alle Angeschlossenen gleich behandelt. Auch die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte hätte geendet. Jetzt sucht Zehdenick nach einer differenzierenden Lösung. Ingmar Höfgen
Ingmar Höfgen
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