
© Manfred Thomas
Werder (Havel): Ein Wohnviertel voller Geschichten
Die Elisabethhöhe feiert Jubiläum – einige Bewohner erinnern sich noch an die Anfänge.
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Werder (Havel) - Das 25. Jubiläum der Elisabethhöhe sei eine seiner frühsten Erinnerungen, sagt Herrmann Bobka. „Ich war vier Jahre alt und durfte bei meinem Vater auf dem Schoß sitzen, während er Schlagzeug spielte“, sagt der 69-Jährige. Heute und morgen feiert das Wohngebiet, das mittig zwischen Glindow und Bliesendorf liegt, sein 90-jähriges Bestehen. Zum runden Geburtstag lädt der Förderverein Anwohner und Gäste zu einem Fest auf Schulzens Siedlerhof ein. Am Samstag ab 15 Uhr hält Herrmann Bobka als Vereinsvorsitzender eine Festansprache, danach soll bei Kaffee und Kuchen, später mit Jagdhornbläsern, Laternenumzug und weiteren Programmpunkten gefeiert werden. In einer Ausstellung zeigen einige der langjährigen Bewohner zum Jubiläum ihr künstlerisches Können – seien es Öl- und Acrylgemälde, selbstgetöpferte Tonfiguren oder eigenhändig gezimmerte Vogelhäuser.
„Die Tonfiguren stammen von unserer ältesten Bewohnerin, der 93-jährigen Gertrud Praedel“, sagt Herrmann Bobka. Praedel, die von den Alteingesessenen nur „Trudchen“ genannt wird, sei früher für die polytechnische Ausbildung der Schüler in der Gärtnerischen und später der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft verantwortlich gewesen, erzählt Bobka. Schon 1929, zwei Jahre nachdem die ersten Häuser der Siedlungsgesellschaft Deutschland mbH Berlin auf der Elisabethhöhe entstanden waren, gründete sich die Obst- und Gartenbaugenossenschaft, die 1958 zur staatlichen GPG wurde.
Damals sorgte der Bau der Mauer allerdings zunächst dafür, dass viele der Bewohner in den Westen flüchteten, erinnert sich Bobka. „Anfang der 1960er stand hier jedes zweite Haus leer.“ Seine Familie gehörte zu jenen, die auf der Elisabethhöhe blieben, und konnte so miterleben, wie die Siedlung weiter wuchs. Standen in den 1930er Jahren noch 72 Häuser zwischen der heutigen Karl-Liebknecht-Straße, Poststraße und Goethestraße, so sind es inzwischen 108. „Wir sind heute ungefähr 500 Bewohner.“
Eine, die in den vergangenen eineinhalb Jahren besonders viele dieser Bewohner kennengelernt hat, ist Brigitte Wilhelm. Die gebürtige Sachsen-Anhalterin ist im Vergleich mit Bobka zwar fast noch eine Neuzugezogene – sie wohnt seit 29 Jahren auf der Elisabethhöhe. Für die Festschrift „Neunzig Jahre Elisabethhöhe“ hat sie sich aber besonders intensiv mit den Siedlungsbewohnern beschäftigt. Dafür besuchte sie viele von ihnen zu Hause und ließ sich persönliche Geschichten erzählen.
Der 94-jährige Siegfried Förmer schilderte ihr, wie er als Kind eine halbe Stunde bis nach Bliesendorf zur Schule laufen musste. Ab der dritten Klasse wurde sein Schulweg deutlich kürzer, denn 1931 war die Schule auf der Elisabethhöhe fertig. Die 91-jährige Waltraud Köhler erinnerte sich im Gespräch mit Brigitte Wilhelm an Lehrer, die noch Backpfeifen verteilten.
Doch nicht nur die Alteingesessenen kommen in Brigitte Wilhelms Festschrift vor. Sie hat auch diejenigen besucht, die erst in den vergangenen ein bis fünf Jahren dazukamen, etwa die beiden Potsdamer Jaqueline und René mit ihrer kleinen Tochter Luise, die im Juni 2013 auf die Elisabethhöhe zogen. „Ich wollte keine reine Chronik aus trockenen Daten schreiben, sondern die Geschichten der Bewohner erzählen“, sagt Brigitte Wilhelm. Die Gespräche seien auch für sie ein guter Weg gewesen, die Menschen in der Siedlung besser kennenzulernen. Als jemand, der nicht seit Generationen auf der Elisabethhöhe lebt, sei es ihr anfangs nicht ganz leicht gefallen, Kontakte zu knüpfen.
Der Förderverein möchte genau dafür sorgen: dass Neuzugezogene sich möglichst schnell als Teil der Gemeinschaft fühlen. So organisiert der Verein unter anderem Straßenfeste, Weinverkostungen und Seminare. „Und eine Woche vor Ostern ist jeder zum gemeinsamen Beräumen der Straßen eingeladen“, sagt Herrmann Bobka. Eine besonders gute Gelegenheit, die Elisabethhöhe mitsamt ihrer Geschichte kennenzulernen, sei selbstverständlich auch das 90. Jubiläum der Siedlung. Julia Frese
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