KulTOUR: „Bilder aus der Berliner Secession“: „Eine andere Zeit kam jetzt ...“
Schwielowsee - Über die Frage, ob und in welchem Verhältnis Kunst und Fortschritt zueinander stehen, wurde viel und lange gestritten. Dass es auf eine so plump gestellte Frage eigentlich keine Antwort gibt, liegt in der Natur der Sache, alles ist ja Tendenz und Allegorie in einem.
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Schwielowsee - Über die Frage, ob und in welchem Verhältnis Kunst und Fortschritt zueinander stehen, wurde viel und lange gestritten. Dass es auf eine so plump gestellte Frage eigentlich keine Antwort gibt, liegt in der Natur der Sache, alles ist ja Tendenz und Allegorie in einem. Und trotzdem, die Geschichte der Moderne, besonders die der Berliner Secession ab 1898, könnte einen glauben machen, es gäbe ihn, den „Fortschritt in der Kunst“.
Für Karl Hagemeister – neben Max Liebermann, Käthe Kollwitz, Walter Leistikow und vielen anderen – ein Gründungsmitglied der rebellisch-sezessionistischen Künstlerjugend von damals, stellte sich das so dar: „Eine andere Zeit kam jetzt, in der der Grundgedanke der war, die Natur in ihrer Wirklichkeit zu treffen, in Form und Farbe.“ Das war zugunsten des französischen Impressionismus und gegen die akademische Kunstauffassung im wilhelminischen Kaiserreich gedacht. Frankreich war auch nach 1871 der Erbfeind, von da konnte nichts Gutes kommen. Was dennoch an Gedanken und Werken „importiert“ wurde, war des Verrats am Vaterland verdächtig.
Das Interesse an der Moderne (1880 - 1930) und ihren Strömungen ist bis heute ungebrochen. Momentan zeigen mehrere Museen gleichzeitig Werke der Berliner Secession, darunter das Bröhan-Museum am Charlottenburger Schloss, doch auch das Havelländische in Ferch ist mit von der Partie. Aus gutem Grund, denn mit Hagemeister, Leistikow, von Brockhusen, Julie Wolfthorn, Pottner und anderen hat man Personen vor sich, die sowohl zur Berliner Secession als auch zu den „Havelländischen“ gehörten.
Für das Fercher Kossätenhaus eine exklusive Gelegenheit, mit viel „Eigen-Art“ zu glänzen. Stolz berichtet die langjährige Kustorin des Klein-Museums, Jelena Jamaikina, Ferch sei ausdrücklich eingeladen worden, am Thema der ganz Großen in den Städten mitzuwirken. Sie entwarf eine Jahreskonzeption zum Thema „Secession“, deren erster Teil das Ausstellungsjahr 2016 unter dem Titel „Gesichter einer Landschaft“ eröffnet hat. Denn auch mit secessionistischem Fokus lässt sich an den Werken Hagemeisters und von Brockhusens im Hauptraum ganz Erstaunliches entdecken. Der Zweite gibt mit Bildern und Grafiken von Philipp Franck, Emil Pottner, Julie Wolfthorn, Max Liebermannn und Arthur Degner einen Vorgeschmack auf das, was im Verlauf dieses Jahres in Ferch noch zu erwarten ist – Überraschungen inklusive!
Stoff genug gibt es, die Geschichte der 1898 gegründeten Berliner Secession hat das „Abspalten“ im Namen: Ein Teil von ihr bildete 1910 die Neue Secession, diese verlor 1914 Mitglieder an die Freie Secession, 1918 trennte sich die „Novembergruppe“ um Max Pechstein und Georg Tappert dann wiederum von den „Freien“. Wirklich verrückt, die „andere Zeit“ kam mit Riesenschritten, innerhalb weniger Jahre löste ein kunstreicher -Ismus den nächsten ab, da waren Richtungskämpfe unvermeidlich. „Die Moderne“ ist für Jamaikina deshalb auch keine Stilrichtung, sondern eine Geisteshaltung. Wenn schon „Fortschritt“, dann im Geist, die Kunst kennt keinen!
Weil aber höchstens 30 Bilder unters Fercher Rieddach passen, wird man bis April sukzessive immer ein paar andere sehen, so bleibt die Sache lebendig. Die Berliner Secession alias „Berliner Impressionismus“ hat sehr viel mehr zu bieten, als man eigentlich zeigen kann. Gerold Paul
Die Ausstellung „Bilder aus der Berliner Secession“ ist im Museum der Havelländischen Malerkolonie bis zum 23. April, Sa. und So. 11 bis 17 Uhr zu sehen. Am 14. Februar hält Jelena Jamaikina um 17 Uhr einen Vortrag über havelländische Maler in der Berliner Secession.
Gerold Paul
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