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Potsdam-Mittelmark: Eine tragische Posse

Samstag feiert Michendorfs Theater Premiere. Regisseur Patzer war schon wieder kurz vor dem Aufgeben

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Michendorf - Am kommenden Samstag ist es soweit: In Michendorfs neuem Theater geht zum ersten Mal der Vorhang auf. Für die „Kleine Bühne im Volkshaus“ und ihren Gründer Siegfried Patzer, der jahrelang nach einem geeigneten festen Standort gesucht hatte, hing das Happy End allerdings noch bis gestern am seidenen Faden. Dieses Mal ging es um ein Schild an der Potsdamer Straße, das Besuchern den Weg auf den Hof weisen sollte: Der Ortsbeirat hatte sich gegen die Aufstellung quer zur Straße ausgesprochen, weil das Schild die Sicht behindern würde. Die Arbeiten wurden gestoppt – und wieder einmal war Patzer kurz davor, das Handtuch zu werfen.

Bürgermeisterin Cornelia Jung hat die Streitschlichtung zur Chefsache erklärt und jetzt einen Kompromiss errungen: Das ein Meter breite Schild mit dem Logo des Hauses und dem Schriftzug „Theater vor Ort“ darf aufgestellt werden, allerdings in 1,70 Metern Höhe – statt wie geplant in 1,50 Metern. So können Autofahrer besser darunter durchgucken. Die Genehmigung wurde in Aussicht gestellt und bis zum Samstag soll die Tafel stehen. Ortsvorsteher Hartmut Besch (FDP) hat gestern indes noch einmal seine Haltung bekräftigt: „Natürlich darf auch die Kleine Bühne Plakate und Schilder aufstellen, aber nur längs zur Fahrbahn und nicht direkt an der Straße.“ Besch verwies auf die Sondernutzungssatzung der Gemeinde.

Bei Siegfried Patzer sorgen solche Töne für Missmut. Die Kritik am Schild nimmt er als Kritik an seiner Vision, das kulturelle Leben in der Großgemeinde zu beleben. Denn Rückschläge hatte es für ihn immer wieder gegeben. Zuletzt hatte sich der Ortsbeirat dagegen ausgesprochen, öffentlich gewidmete Parkplätze offiziell dem Theater zur Verfügung zu stellen – damit die Untere Naturschutzbehörde dem Projekt ihr Einvernehmen erteilt. Auch damals war eine Lösung gefunden worden – außerhalb des Ortsbeirates.

Aber die Kleine Bühne erfährt auch regen Zuspruch: Patzers Ankündigung, dass die erste Inszenierung im Volkshaus unter diesen Umständen auch die letzte sein werde, hatte eine Flut von E-Mails ausgelöst. Er solle durchhalten und dranbleiben, schrieben die Leute dem Regisseur und Kulturmäzen. In der Gemeinde hat sich mittlerweile auch ein Förderverein für die Kleine Bühne gegründet. „Während andernorts kulturelle Einrichtungen schließen, zeigen Bürger aus Michendorf, dass es auch anders gehen kann“, schreibt Vereinsmitglied Andree Halpap in einer Pressemitteilung. Er verweist auf das große ideelle und finanzielle Engagement Patzers, der die Kosten für den Umbau des Volkshauses in Höhe von 250 000 Euro aus eigener Tasche bezahlt hat. „Darum freue ich mich auch besonders über die originelle Idee, die sich Teile des Ortsbeirats Michendorf für die Neueröffnung ausgedacht haben“, bemerkt Halpap bissig. Die Posse der letzten Woche sei doch „wunderbares Theater für’s Theater“ gewesen.

Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich die Kleine Bühne tatsächlich nicht beklagen: Die ersten beiden Vorstellungen sind bereits ausverkauft, weitere folgen bis Mitte Juli. Auch Schulklassen will Patzer in sein Theater locken. Gegeben wird das Stück „Der Bockerer“ von Peter Preses und Ulrich Becher. Hauptakteur ist der Wiener Metzger Karl Bockerer, der im Österreich der 1930er Jahre ganz eigene, mitunter komische Formen des passiven Widerstandes gegen die Nazis entwickelt. Für die Hauptrolle hat Patzer einen echten Österreicher gewinnen können: Den Wiener Schauspieler Rafael Hilpert. Und auch sonst greift der Regisseur auf erfahrene Leute zurück: Gert Melzer – er spielt den Juden Dr. Rosenblatt – kommt vom Berliner Kabarett „Die Kneifzange“.

Das Stück wird auch logistisch eine Herausforderung: Die Szenen spielen an zwölf verschiedenen Orten, das Bühnenbild muss also flexibel sein. Eine Szene wird im Foyer aufgeführt, verrät der Regisseur. Dort lässt er das Café Toska entstehen, in dem sich Bockerer von seinem Sohn verabschiedet. Der schließt sich der SA an – was ihm letztendlich zum Verhängnis wird. Siegfried Patzer hat dieses Mal darauf verzichtet, das Stück umzuschreiben und durch Anspielungen mit Michendorfer Lokalkolorit zu füllen – zu ernst sei der Inhalt, sagt er. Aber der Begriff der „tragischen Posse“ dürfte auch schon metaphorisch genug sein. Thomas Lähns

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