Potsdam-Mittelmark: Eine Woche keine Post
Teltower haben ihre Briefe jetzt selbst im Verteilzentrum abgeholt. Ihre Briefträger sind krank
- Eva Schmid
- Henry Klix
Stand:
Teltow - In Teltow kommt die Post nicht zum Bürger – in Teltow kommt der Bürger zur Post. So ergeht es zumindest Holger Radtke aus Teltow-Sigridshorst. Er schaut zwar täglich in seinen Briefkasten. Doch der ist leer. Seit einer Woche, nicht einmal Werbung. Er beschwerte sich auf der Facebook-Seite des Unternehmens. Und erhielt prompt eine Antwort.
Eine Woche keine Post? Das sei eigenartig, eigentlich würden Briefe montags bis samstags von 8 Uhr bis 17 Uhr zugestellt. Die Post bittet um nähere Angaben, dankt und grüßt schön. Radtke holte sich daraufhin seine Post selber ab, vom Teltower Briefverteilzentrum. Dort war er nicht der Einzige, der nach dringenden Briefen fragte.
Schuld an der Zustellmisere sind nach Aussagen der Deutschen Post die vielen erkrankten Zusteller. „Der Krankenstand am Zustellstützpunkt in Teltow ist derzeit hoch“, so Post-Sprecherin Tina Birke am Montag gegenüber den PNN. Ersatz konnte offenbar nicht schnell genug organisiert werden. Wie viele der in Teltow eingesetzten 34 Briefträger ausgefallen sind, wollte sie nicht sagen. Und fügte hinzu: „Wie in anderen Unternehmen auch ist ein hoher Krankenstand nichts Ungewöhnliches in der Winterzeit.“
Holger Radtke fallen derweil nicht nur im Winter Unregelmäßigkeiten auf. Seitdem der alte Briefträger, der lange Jahre für Sigridshorst zuständig war, vor zwei Jahren weg war, knirsche es. Post werde nur noch unregelmäßig eingeworfen: Mal kommen gar keine Briefe, mal wird ein ganzer Stapel durch den Briefschlitz gezwängt, sagte Radtke den PNN. Vergangene Woche dann wartete er auf einen wichtigen Anwaltsbrief, doch der kam und kam nicht an, wie die restliche Post. „In der Woche landete noch nicht einmal die übliche Werbung im Briefkasten.“
Die Post spricht von kurzfristigen Zustellproblemen, das Problem sei seit einigen Tagen bekannt. Und räumt ein, dass es zu „Abbrüchen“ gekommen sei. Briefträger hätten ihre Routen nicht beenden können. „Ist eine Tour ausgefallen, wurde die Post aber am nächsten Tag zugestellt“, so Postsprecherin Birke. So sei eine Zustellung alle zwei Tage gegeben gewesen. Bei der Post herrsche derzeit ohnehin Hochbetrieb: In der Vorweihnachtszeit werde die doppelte Menge der sonst üblichen 64 Millionen täglichen Briefsendungen deutschlandweit transportiert. Einwöchige Ausfälle wollte sie aber nicht bestätigen.
Dass Briefe eine Woche nicht oder falsch zugestellt werden, passiert derweil immer häufiger. Bei der Bundesnetzagentur, wo man Unregelmäßigkeiten melden kann, gingen allein bis Oktober bereits 1335 Beschwerdebriefe ein – deutlich mehr als in den Vorjahren (siehe Kasten).
Auch in der Region ist Sigridshorst kein Einzelfall: Erst Anfang des Jahres wurden im Werderaner Ortsteil Kemnitz Briefe in die falschen Briefkästen gesteckt und erreichten nur durch Nachbarschaftshilfe ihre Adressaten. In Phöben wurden Briefe zu Jahresbeginn nur noch sporadisch zugestellt. Auch damals lautete die Begründung der Post: Krankheitsausfälle. Aktuell erklärte auch eine Anwohnerin aus Teltow-Seehof gegenüber den PNN, dass es dort immer wieder zu Unregelmäßigkeiten kommen würde.
Fallen Briefträger aus, versucht die Deutsche Post die kranken Kollegen durch eigenes Personal, das von anderen Zustellbezirken abgezogen werde, zu ersetzen, erklärte Unternehmenssprecherin Birke. Doch das führt offenbar zu Frust bei denen, die mehr Touren übernehmen müssen. Ein Zusteller, den Holger Radtke in Teltow traf, sprach von unhaltbaren Zuständen. Manche Touren würden aufgrund von Krankheit liegen bleiben, Geschäftsbriefe und Werbung nicht zugestellt, klagte der Zusteller. Nicht ausgetragene Briefe müssten von den restlichen Mitarbeitern übernommen werden, was nicht zu schaffen sei.
Beim Verdi-Bezirksverband Berlin-Brandenburg sind solche Nöte bekannt – Hintergrund seien Rationalisierungen, wie sie auch in anderen Branchen erfolgt seien. Benita Unger, Postbeauftragte der Gewerkschaft, sieht konkret zwei Ursachen für die Zustellprobleme: neben dem Krankenstand auch die befristeten Verträge. Von gut 8000 in Brandenburg beschäftigten Postmitarbeitern seien inzwischen etwa 20 Prozent befristet eingestellt. „Das führt bei auslaufenden Verträgen dann dazu, dass neue Mitarbeiter eingearbeitet werden müssen, die die Zustellbezirke nicht kennen.“
In den vergangenen zwei Jahren habe sich die Befristungsquote bei der Post in Berlin-Brandenburg mehr als verdoppelt. Die Personalsituation habe sich zwar insgesamt nicht verschlechtert, doch gibt es laut Unger eine hohe Fluktuation in allen Bereichen und den daraus resultierenden Ärger. „In den Brief- und Paketzentren wurde wegen der Mechanisierung Personal abgebaut, während im Bereich Paketzustellung aufgestockt wurde.“ Gerade die Neueinstellungen seien häufig nur befristet erfolgt.
Als Holger Radtke vor dem Teltower Postverteilzentrum in der Zehlendorfer Straße seine Briefe abholte, traf er am Samstag auf weitere Anwohner – Leidensgenossen, die wie er keine Lust mehr hatten, noch zu warten. Immerhin gab es hier Hilfe und Verständnis. Die Postfrau im Verteilerzentrum überreichte Radtke einen ganzen Stapel Briefe. „Der älteste Brief war am Montag, dem 24. November, aufgegeben worden.“ Das wichtige Schreiben vom Anwalt war auch dabei, abgestempelt zwei Tage später am 26. November.
Holger Radtke ärgert die Art und Weise, wie die Post mit seinen Briefen umgeht, schließlich gehe es um eine Dienstleistung, die bereits bezahlt und nicht erbracht wurde. Die von der Postsprecherin angekündigte Vertretungsrunde für Montag kam bei Holger Radtke bis zum späten Nachmittag nicht an.
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