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Potsdam-Mittelmark: Erinnerungen an Grills, Rasenmäher und kühlschrankgroße Modems

40 ehemalige Mitarbeiter des VEB-Geräte- und Reglerwerkes Teltow trafen sich am Wochenende in Potsdam/Babelsberg

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40 ehemalige Mitarbeiter des VEB-Geräte- und Reglerwerkes Teltow trafen sich am Wochenende in Potsdam/Babelsberg Teltow/Potsdam. Mehr als nur ein Wiedersehen alter Arbeitskollegen: der GRW-Stammtisch am Wochenende im Strandbad Potsdam-Babelsberg war ein Treffen von Bekannten und Freunden. Manche sahen sich nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder. Ungefähr 40 ehemalige Mitarbeiter der VEB Geräte- und Reglerwerke Teltow kamen zusammen, um sich alte Fotos anzusehen, Erinnerungen aufzufrischen und Telefonnummern auszutauschen. Einen Namen hatte sich GRW in den 70er Jahren gemacht als mit der Entwicklung von Messinformern Druck in elektrische Signale umgewandelt werden konnte. „Wir haben dafür Kristallmembranen entwickelt, eine Funktionsweise wie beim Plattenspieler“, erinnerte sich der ehemalige Mitarbeiter Helmut Wandel. Für die VEB-Werke sei das eine Revolution gewesen. Über die Geräte staunte aber nicht nur der Osten, „auf der Frühjahresmesse kam Siemens bei uns gucken!“ Der damals westdeutsche Konzern übernahm nach der Wende große Anteile des Geländes in der Potsdamer Straße. Erfindungsreichtum bewiesen die GRW-Leute auch mit dem Bau von Farbdisplays Anfang der 80er Jahre. „So etwas gab es damals noch nicht, aber um verschiedene Messungen anzuzeigen, brauchte man auch verschiedene Farben“, so Thomas Singer. Aus dem „Westen“ durfte sich nichts abgeschaut, geschweige denn importiert werden. Kurzum wurden Röhren aus Farbfernsehern genommen und in die Computermonitore eingebaut. Broschüren aus dieser Zeit künden noch von dieser Inovation. Bis 1994 wurde in den Teltower Werken gearbeitet, das Hauptgebäude wurde in diesem Jahr abgerissen. „Das gab mir auch den Anstoß, dieses Treffen einzuberaumen“, erklärte Mitinitiator Singer. 1954 aus dem Betrieb „Mechanik-Askanier“ gegründet, sei GRW erst mit dem Mauerbau groß geworden. Menschen, die bis dato in der DDR lebten und in West-Berlin arbeiteten, verloren ihren Job und kamen in Teltow unter. Zuletzt waren 7000 Menschen beschäftigt, einige davon in Babelsberg, weitere in Treuenbrietzen. Das dortige Werk läuft heute noch. „Wir hießen früher im Volksmund auch ,Grill- und Rasenmäherwerke“, setzte Singer zu einer weiteren Anekdote an. Bis zum Schluss wurden bei GRW auch solche Geräte angefertigt. Ein nagelneuer Grill war damals ein beliebtes Präsent für Leute, die einem zu Vorteilen verhelfen konnten, zum Beispiel zu schnelleren Lieferung von Baumaterial. Neben solchen Haus- und Gartengeräten waren Atuomatisierungsanlagen eine Spezialität der Teltower. Die großen Stahlschränke fanden Verwendung in zahlreichen Industrieanlagen – hundert Stück liefen pro Tag vom Band. Der Großrechner R40 bedeutete eine weitere Errungenschaft: Mit einem Hauptspeicher von 1 Megabyte konnte ein Netzwerk zwischen 740 Leuten erstellt werden. „Allein das Modem war so groß wie ein Kühlschrank“, so Singer. Fast jeden GRW-Mitarbeiter persönlich kennt Gertrud Laege. Sie war 30 Jahre lang Leiterin der Gewerkschaftsbibliothek. „Anfangs mussten wir Bücher von zuhause mitbringen, um den Bestand aufzufüllen“, erinnerte sie sich. 35 000 „Bestandseinheiten“ hätten zum Schluss in den Regalen gestanden. Über die Art der Literatur seien keine Vorschriften gemacht worden, ob Kinderbücher oder deutsche Klassiker: die Leser hatten die freie Wahl. „Der arbeitende Mensch sollte an das Buch herangeführt werden“, so die heutige Rentnerin. Dementsprechend gab es einen Zirkel „schreibende Arbeiter“. Die Wiedersehensfreude der ehemaligen GRW-Mitarbeiter war so groß, dass es weitere Treffen geben soll. Die Anekdoten werden sicher noch einige Nachmittage füllen können. Thomas Lähns

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